Der Frauenjäger
Beinen auf der großen Couch sitzen. In ihren Knien pochte es verhalten, der rechte Ellbogen schmerzte ebenfalls noch bei jeder Bewegung. In ihrem Kopf sang Aretha Franklin mit Kenny Rogers und Marianne Faithfull um die Wette:
«Stromin my pain with his fingers/You picked a fine time to leave me, Lucille/The morning sun touched lightly on the eyes of Lucy Jordan …»
Irgendwo dazwischen veranstaltete Karola ein heiteres Beruferaten. «Was haben Jäger und Fischer gemeinsam? Beide fangen und töten ihre Beute.» Und dann wollte Karola wissen: «Woher nimmst du überhaupt die Gewissheit, dass Heidruns Freund tatsächlich eine Schwester hatte?»
Es gab keine Gewissheit, bis auf die eine: Mona selbst hatte all das verraten, was ein Fischer wissen musste, um als Journalist mit
recherchiertem
Wissen zu glänzen.
Kurz darauf rief Ulla an, wollte wissen, wie sie sich fühle, ob ihr inzwischen eingefallen sei, wer sie ins Haus von GerdamarieAmmer gebracht und ob die Polizei den Betreffenden schon vernommen habe.
Der Einfachheit halber sagte sie ja, weil sie wie Werner davon ausging, dass die Kriminalpolizei umgehend ihre Ermittlungen aufgenommen und den Mistkerl bei seiner Rückkehr festgenommen hatte. Vor ihrem geistigen Auge war die Höhle von unzähligen Scheinwerfern in gleißend helles Licht getaucht. Es wimmelte nur so von Männern und Frauen in den weißen Schutzanzügen der Spurensicherung, die alles einsammelten, was von Bedeutung war.
Wenig später meldete sich Annette und stellte dieselben Fragen wie Ulla. Nur Karola ließ nichts von sich hören, obwohl Annette sie am Freitagabend noch erwischt hatte, ehe sie zum Sender fuhr. Und eigentlich hätte es doch eine Story ganz nach Karolas Geschmack sein müssen.
24. Januar 2010 – Sonntag
Wie Mona sich das Bein brach und zu der Einsicht gelangte, dass sie es zu weit getrieben hatte mit den Begleitern der Agentur Sirius. Wie sie Josch um Verzeihung bat und sich wünschte, er würde irgendwann erfahren, wie leid ihr das alles wirklich täte. Und wie sie schließlich starb sowie Auszüge aus den anderen drei Filmen schaute Werner sich alleine an, als nicht mehr die Gefahr bestand, dass eins der Kinder ins Wohnzimmer platzte.
Er kam erst nach fünf in der Früh ins Schlafzimmer. Seine Augenlider waren verquollen von Übermüdung, die Augäpfel gerötet vom Weinen. Marlene wachte auf, weil er sich zu ihr ins Bett legte, sie mit einem Arm umfing und sein Gesicht gegen ihre Schulter drückte.
«Was hätte ich denn tun sollen, wenn du da nicht mehrrausgekommen wärst?», murmelte er. «Ich hätte nicht einmal gewusst, wo du bist. Die Männer der anderen wissen es wahrscheinlich auch nicht. Was ist das für eine Bestie, die so etwas tut? Man kriegt ihn nicht zu Gesicht.»
«Ich weiß jetzt aber, wer er ist», sagte sie.
«Das ist gut», flüsterte Werner, küsste sie auf den Nacken und war zwei Minuten später eingeschlafen.
Er schlief noch fest, als um neun das Telefon klingelte. Er wachte auch nicht auf, als Marlene sich aus seiner Umarmung befreite und nach unten ging. Es war nochmal Annette.
«Passt es euch, wenn Christoph und ich heute Nachmittag zum Kaffee kommen? Nur Kaffee, Werner braucht keinen Kuchen zu besorgen. Dann können wir nochmal über dein Angebot reden, als Aushilfe bei mir anzuheuern. Natürlich auch über alles andere. Du musst darüber reden, Marlene. Friss es nicht in dich hinein. Manchmal fällt einem auch noch das eine oder andere ein, wenn man darüber redet.»
«Lass mich erst mal mit der Polizei reden», blockte Marlene ab. «Sie müssen meine Aussage noch aufnehmen.»
Werner schlief bis nach elf. So fand sie Zeit, den Kindern das Nötigste zu erzählen. Über die Filme verlor sie kein Wort.
Johanna geriet außer sich. Sie erinnerte sich lebhaft an den Mann mit dem Fotoapparat, der Heidrun Merz unangenehme Fragen gestellt hatte. Und sie behauptete, sie hätte diesen Fischer gesehen.
«Am Freitagabend, Mama. Er war es ganz sicher. Kirsten hat ihn auch erkannt. Julia brauchte frische Sachen, wir sind natürlich mit ihr gegangen. Er kam bei Königs raus, hat vor der Tür noch ein paar Fotos gemacht, ehe er uns bemerkte. Dann lief er zu einem Auto und fuhr weg.»
«Was für ein Auto?», fragte Marlene.
«Ein rotes, so ein niedlicher kleiner Cityflitzer. Daihatsu Charade, glaube ich. Das Kennzeichen fing mit SU an.»
«Das war er», sagte Marlene und spürte Beklemmung aufsteigen. Freitagabend! Wenn er nun bei seiner
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