Der Frauenjäger
Parkplatz erwartet und sich mit ihr verabreden wollen?
«Bist du schon lange hier?», fragte sie Karola. Und als die nickte, sagte sie: «Ich habe dir etwas auf den AB gesprochen. Und ich an deiner Stelle würde heute noch mit Herrn König reden. Frag ihn, was der Typ am Freitagabend von ihm wollte.»
Weil ihr auf dem Krankenhausparkplatz absolut nichts eingefallen war, kutschierte Werner Marlene erst noch in die Innenstadt. Die Polizeiwache war rund um die Uhr besetzt. «Dahin kommen wir noch früh genug», meinte er. «Irgendwo muss ja dein Auto stehen.»
Er schien wie besessen davon, der Polizei mehr Beweise zu bringen als die Sachen in der Tasche. Auf der Suche nach Marlenes Van klapperten sie die Straßen im Zentrum ab. Natürlichvergebens. Und nicht ein Fetzen Erinnerung stieg aus dem schwarzen Loch empor.
Schließlich parkte Werner für den allerletzten Versuch. Zu Fuß gingen sie zu dem Café, das Andreas ihr am Donnerstag empfohlen hatte. Es war gut gefüllt, aber freie Plätze gab es noch. Als Marlene sich hinsetzte, fiel ihr Blick auf den Kerzenhalter in der Tischmitte, darin klebte ein Wachsrest, den anzuzünden es nicht mehr lohnte. Und daneben lag ein Zündholzbriefchen mit einem Werbeaufdruck und einer stilisierten Kaffeetasse.
«Genauso eins steckte in meiner Jackentasche», sagte sie. «Zusammen mit den Bonbons, die Ulla mir bei Hilscher aufgeschwatzt hatte. Ich muss hier gewesen sein. Aber ich kann mir nicht erklären, warum ich Zündhölzer eingesteckt habe.»
«Das ist auch vollkommen nebensächlich», meinte Werner, griff über den Tisch nach ihrer Hand und hielt sie fest. «Du hast sie eingesteckt, das zählt. Du hattest Licht, nur deshalb bist du dem Schwein entwischt, und wir sitzen jetzt beide hier.»
«Barbara König hatte mehr Licht als ich», widersprach sie. «Und die wird nie wieder irgendwo sitzen.»
«Weil sie nicht sorgsam umgegangen ist mit dem, was sie hatte», sagte Werner. «Weil sie unbeherrscht herumgebrüllt hat und ziellos herumgelaufen ist. Sie war entsetzlich wütend auf irgendeinen Juri.»
«Wütend war ich auch», sagte Marlene. «Das bin ich immer noch.»
Eine ältere Frau mit weißer Spitzenschürze über einem engen schwarzen Rock kam an den Tisch und erkundigte sich nach ihren Wünschen. Werner bestellte einen Kaffee, eine Latte macchiato und zwei Stücke Schokosahnetorte. «Und eine Auskunft hätten wir gerne», sagte er und deutete auf Marlene. «Meine Frau war am Donnerstagnachmittag hier, erinnern Sie sich?»
Das tat die Bedienung nicht, weil sie am Donnerstag nichtgearbeitet hatte. «Da müssen Sie meine Kollegin fragen, die hat aber heute frei. Worum geht’s denn?»
«Ich habe meinen Hausschlüssel verloren», behauptete Marlene, ehe Werner etwas anderes sagen konnte. «Es könnte sein, dass er mir hier aus der Tasche gefallen ist.»
«Ich frage mal, ob ein Schlüssel abgegeben wurde», erbot sich die Kellnerin und ging zum Kuchentresen. Als sie die Bestellung an den Tisch brachte, bedauerte sie.
Durch die Kaffeepause betraten sie die Polizeiwache an der Kölner Straße erst nach fünf. Draußen war es bereits dunkel. Und Werner begriff schnell, dass nicht schiere Rücksichtnahme auf ein Opfer Marlene bislang davor bewahrt hatte, Kriminalbeamten Auskünfte zu geben. Für Marlene war es ein Schock, ihre Befürchtungen noch viel schlimmer als angenommen bestätigt zu finden.
Der junge Polizist, der sich nach ihrem Anliegen erkundigte – er war höchstens Mitte zwanzig –, wusste nichts von Flurstück drei und nichts von einer entführten Frau, die einer seiner Kollegen auf irgendeinem Berg im Empfang genommen hatte.
Lambrecht – an den Namen erinnerte Marlene sich – hatte frei, Silke Schmitter, mit der er am Freitag diesen Einsatz gefahren hatte, ebenso.
«Ja, warum auch nicht», gab Werner sich gönnerhaft. «Es ist schließlich Wochenende. Und das wäre auch eher eine Aufgabe für die Kollegen vom Ermittlungsdienst. Richten Sie denen bitte aus, dass sie morgen oder übermorgen oder wann immer sie die Zeit finden, die Aussage meiner Frau aufnehmen und den Inhalt dieser Tasche hier bei uns abholen können.»
Er hob die Reisetasche an, damit sein Gegenüber einen Blick darauf werfen konnte, und fügte noch einen Seitenhieb hinzu: «Hierlassen möchte ich die Sachen jetzt nicht, sonst weiß nachher keiner, wo sie geblieben sind.»
«Was ist denn in dieser Tasche?», fragte der Polizist prompt. Die Beleidigung schluckte er, ohne mit
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