Der Frauenjäger
den Berg rauf.
Natürlich gaben die Männer vom LKA diese Informationen und die daraus resultierende Schlussfolgerung, dass Gerd Ammer vor rund zehn Jahren seine Mutter getötet hatte und nach ihr mindestens acht junge Frauen, nicht an Werner und Marlene weiter. Werners Frage, ob sie glaubten, Gerdamarie Ammer sei zusammen mit ihrem Sohn untergetaucht, beschied Gröbel mit einem knappen Nein.
Danach ergriff Schultze wieder das Wort. Mit Blick auf Marlene erklärte er: «Wir nehmen an, dass Ammer irgendwann am Freitagabend nach Hause gekommen ist und feststellte, dass Ihnen die Flucht gelungen war. Daraufhin dürfte er es vorgezogen haben, sich aus dem Staub zu machen.»
«Er war am Freitagabend hier», sagte Marlene. «Also nicht direkt hier. Meine Tochter hat ihn aus dem Haus der Familie König kommen sehen. Barbara König war die Nummer acht.»
Letzteres wussten sie. Und zu Herrn König wollten sie ohnehin noch. Einer musste dem Mann schließlich sagen, dass seine Frau nie mehr heimkäme, sich aber auch nie wieder mit fremden Kerlen herumtreiben würde.
Sie verabschiedeten sich mit der Warnung, in nächster Zeit vorsichtig zu sein.
In den folgenden Tagen setzten weder Marlene noch die Kinder einen Fuß vor die Haustür. Ulla besorgte ihr noch am Montagabend im Autohaus Hilscher einen Mietwagen mit Zentralverriegelung. Ein- und aussteigen konnten sie in der Garage bei geschlossenem Tor. Und wenn das Tor sich öffnete, war jede Tür am Auto verriegelt.
Am Dienstagmorgen fuhr Marlene die Kinder zum Gymnasium, holte sie nach Schulschluss wieder ab, brachte Johanna nachmittags zu Barlows und Leonard zu einem Freund.
Annette und Ulla riefen mehrmals an, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Das war es nicht und würde es wohl auch nie wieder sein. Marlene konnte sich kaum auf die Hausarbeit konzentrieren, saß herum und grübelte oder blätterte in
Monas Tagebuch
, las hier und dort ein Stückchen und fragte sich, was in Heidrun Merz vorgegangen sein mochte, als sie diese Zeilen schrieb.
Am Mittwoch übernahm Werner die Fahrt zur Schule, weil Marlene erst gegen Morgen in einen leichten Schlaf gefallen war und die Augen kaum aufbekam, als sein Radiowecker losplärrte. Robbie Williams sang von Körpern auf dem Friedhof.
«Schlaf weiter», sagte Werner.
Das tat sie, bis es gegen elf an der Haustür Sturm klingelte. Diesmal war es nur einer der beiden LK A-Männer , Gröbel.Und er kam bloß, um ihr persönlich zu sagen, dass eine Kellnerin in dem Café eine aufschlussreiche Aussage gemacht hatte. Die Frau hatte Marlene auf einem Foto wiedererkannt und sich erinnert.
«Sie haben einen Milchkaffee bestellt und sind zur Toilette gegangen, ehe serviert wurde», gab Gröbel wieder.
«Latte macchiato», korrigierte Marlene. «Am Sonntagnachmittag habe ich einen bekommen, dann habe ich garantiert auch am Donnerstag einen bestellt.»
«Ist doch fast dasselbe», meinte Gröbel und berichtete weiter: «Weil die Kellnerin nicht wusste, wo Sie Platz nehmen wollten, hat sie den Becher auf dem Tresen abgestellt. Ob sich jemand daran zu schaffen gemacht hat, konnte sie uns leider nicht sagen. Aber dass Ihnen nach kurzer Zeit übel geworden ist, wusste sie noch genau. Ein Mann hat für Sie bezahlt und Sie nach draußen gebracht. Er gab sich als Ihr Freund aus, die Kellnerin hatte auch den Eindruck, dass Sie ihn kannten.»
«Gerd Ammer?», fragte Marlene.
«Wir nehmen es an», sagte Gröbel. «Bei seinem Passfoto wollte die Kellnerin es nicht beschwören. Aber bei einer Gegenüberstellung würde sie ihn bestimmt wiedererkennen, meinte sie.»
«Dafür müssen Sie ihn erst einmal haben», sagte Marlene.
«Keine Sorge», versicherte Gröbel. «Den kriegen wir.»
Karola meldete sich erst nach ihrer Sendung am Donnerstag. Marlene hatte den halben Vormittag in der Küche gesessen, mit halbem Ohr zugehört und gegrübelt:
heute vor einer Woche
. Nur wenn die Nachrichten kamen, war sie konzentriert bei der Sache, wartete unbewusst auf eine ganz bestimmte Meldung.
Karolas Anruf zwang sie vom Küchentisch ins Wohnzimmer. Es hatte wieder jemand im Studio angerufen, um einen Musikwunsch zu äußern und Grüße durch den Äther zu schicken.Die Telefonnummer war nicht übertragen worden. Vermutlich ein Handy, dessen Nummer unterdrückt wurde, meinte Karola.
«Was wollte er denn?», fragte Marlene.
« Lucille
von Kenny Rogers», wiederholte Karola den Wunsch des Anrufers. «Mit einem besonders lieben Gruß an
Weitere Kostenlose Bücher