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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Tapedeck eingelegt. Annette erwachte zum Leben, fummelte an den Reglern herum, während Heidrun Merz anfügte: «Dem Täter musste daran gelegen sein, uns keine Rückschlüsse auf seine Person zu erlauben. Ihm dürfte nicht bekannt gewesen sein, dass Mona Tagebuch geführt hatte.»
    Aus den kleinen Boxen drang leises Rauschen und Knistern. Annette regulierte noch einmal die Lautstärke, so kam die Stimme unvermittelt und wie mit dem Dröhnen einer Flutwelle. Alle im Raum zuckten zusammen, der Mann neben Marlene so heftig, dass er sie mit seinem Arm anstieß. «Sorry», murmelte er und lauschte angespannt der gebrochenen Stimme.
    Marlene zog unwillkürlich die Schultern ein. Es war, wie Annette am Nachmittag gesagt hatte: grauenhaft. So viel Not, so viel Qual. Und die Pausen zwischen den Worten, als habe Mona kaum noch den Atem gehabt und nicht mehr die Kraft, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.
    «Ich – werde – sterben. Mein   – Bein – ist – gebrochen. Verzeih – mir – Josch. Ich – wollte – das – nicht – so.»
    Da mochten tausend Fragen offenbleiben, wie und wo das passiert und warum nicht amputiert worden war. Mit dieser atemlosen, kraftlosen, mit dieser beinahe toten Stimme war es das Todesurteil.

Nummer neun
    Nach dem Schreck, zurück in Richtung Kuhle, weg vom Wasser gekrochen zu sein, und dem ungeheuerlichen Verdacht, den sie zwar für absurd hielt und trotzdem nicht völlig abschütteln konnte, mehr noch im Schock der Erkenntnis, dass ihr Gedächtnis immense Lücken aufwies, wühlte sich die zweite Welle Panik wie Feuer durch ihren Leib.
    Sie musste notgedrungen eine Pause einlegen, richtete sich unsicher schwankend auf, ließ die Hosen herunter, hockte sich hin und hoffte inständig, ihre Kleidung nicht zu besudeln.
    Die Sachen danach einfach wieder hochzuziehen, brachte sie nicht über sich. In Hockstellung hielt sie Hose, Strumpfhose und Slip mit einer Hand zwischen den gebeugten Knien in Position und tastete mit der anderen die äußeren Jackentaschen ab. Normalerweise hatte sie immer Papiertücher dabei, und zwar griffbereit. Wenn man plötzlich niesen und erst lange in der Handtasche suchen musste, halfen sie einem nicht.
    Sie fand ein angebrochenes Päckchen und ein zerknülltesTuch. Außerdem streiften ihre Finger ein paar kleine Teile, die sie nicht auf Anhieb identifizieren konnte. Damit nichts verloren ging, zog sie das benutzte Tuch sehr vorsichtig aus der Tasche. Es musste für den Zweck ausreichen. Nur nichts verschwenden, predigte Werner doch immer.
    Der Gedanke an ihren Mann trieb ihr Tränen in die Augen und ließ sie wie betäubt in ihrer unbequemen Position verharren. Er konnte ihr das nicht angetan haben. Er nicht! Er liebte sie doch über alles. Und er war am Montag nach Straßburg geflogen, das war ihr inzwischen wieder eingefallen. Der neue Kunde, mit dem er letzten Mittwoch ein Vorgespräch geführt hatte. Werner kam erst am Freitag zurück, wahrscheinlich spätabends. Die Kinder waren auch nicht daheim.
    Ihr Problem war, sie hätte nicht sagen können, ob gestern Mittwoch, Donnerstag oder schon Freitag gewesen war. Der Montagmorgen stand ihr relativ klar vor Augen. Der Abschied von Werner, sein Versprechen, häufiger als sonst anzurufen. Dann hatte sie Leonard mit dem großen Rucksack und der prallgefüllten Sporttasche zur Schule kutschiert. Klassenfahrt. Drei Tage Skiurlaub in Tirol. Mit Hin- und Rückfahrt fünf Tage. Leonard hatte das halbe Wochenende von nichts anderem gesprochen. Und Werner hatte gesagt, dass er den Straßburg-Termin am liebsten verschieben würde.
    Warum?
    Mit dem unverändert heftig schmerzenden Kopf fiel es ihr unendlich schwer, diesen Erinnerungsfetzen festzuhalten und die passenden Ansatzstücke zu erhaschen.
    Werner hatte sie nicht alleine lassen wollen, nachdem sie über
Monas Tagebuch
und einiges mehr gesprochen hatten, fiel ihr nach einigem Grübeln ein. Aber den Termin verschieben war unmöglich. Deshalb war er dagegen, dass Johanna ebenfalls bei Barlows übernachtete, nachdem Annette und Christoph Karolas Jüngste aufgenommen hatten.
    Warum? Was war denn los gewesen?
    Eine ganze Menge! Seit der Lesung in der Bücherstube hatten sich die Ereignisse überschlagen. Sie war gar nicht mehr zum Sortieren gekommen. Und jetzt brachte sie es nicht auf die Reihe, hörte nur Werner sagen: «Das kommt überhaupt nicht in Frage. Dann wäre Mama ganz allein hier.»
    Johanna protestierte: «Ja und? Sie ist doch kein Baby. Mama, sag

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