Der Frauenjäger
ihrerseits etwas heftiger. «Wie konntest du sagen, ich wäre mit Frau Merz befreundet?»
«Entschuldige», rechtfertigte sich Karola. «Das hast du gesagt. Ich bin nur darauf eingegangen, weil ich dich nicht öffentlich als Aufschneiderin bloßstellen wollte.»
«Aufschneiderin?», wiederholte Marlene entrüstet und tippte sich noch einmal an die Stirn. «Ich? Das musst du gerade sagen. Ich werde gleich erklären, dass es ein Missverständnis war. Dass ich mit dir, mit Ulla und Annette zur Schule gegangen bin, und nicht mit Frau Merz.»
Karola winkte heftig ab. «Mich lassen wir völlig außen vor. Ulla nutzt uns jetzt auch nichts. Annette kannst du von mir aus erwähnen, wenn du meinst, dass es unbedingt sein muss. Aber das machen wir später. Jetzt bleiben wir beim Thema. Reg dich mal wieder ab. Als Nächstes erzählst du den Leuten, wie der Kerl sich an Frauen heranmacht. Seite achtundsiebzig. Aber sag es mit deinen Worten, das kommt überzeugender.»
Was immer Heiko draufgelegt hatte, war zu Ende. Weil Marlene Seite achtundsiebzig noch nicht komplett gelesen hatte, sah sie sich gezwungen, noch einmal den Gemütszustand einer Frau auszubreiten, die sich überflüssig vorkam, was ihr dank eigener Erfahrung erstaunlich gut gelang.
Karola unterbrach sie kaum einmal. Die wenigen Fragen und Bemerkungen, die sie einwarf, klangen, als sei Karola nur noch mit halbem Herzen bei der Sache. So war es auch.
Während die nächsten drei Musiktitel liefen, ließ sich Karola haarklein erzählen, was Fischer von sich gegeben hatte. DankAnnettes schwungvollem Einsatz der Sektflasche hatte Karola ja längst nicht alles mitbekommen und war von ihrer Ältesten nur über die unverschämten Fragen informiert worden.
«Viel mehr hat er ja auch nicht gefragt», sagte Marlene. «Er wollte nur noch wissen, warum es im Buch keine Personenbeschreibung oder sonst einen Hinweis auf die Identität des Liebhabers gibt und warum nicht erklärt wird, was bei der Laboruntersuchung herausgekommen ist.»
Sie schilderte, wie ihre Begegnung mit Fischer draußen verlaufen war. Karola notierte alles Wesentliche, auch die Buchstaben vom Autokennzeichen. Die Zahlen hatte Marlene sich nicht gemerkt, den Wagentyp konnte sie auch nicht genau bestimmen, nur Form und Farbe nennen.
Dann breitete Karola aus, was ihr eben durch den Kopf gegangen war. Wenn Heidrun Merz sich in Fischers Person geirrt hatte, konnte Marlene sich ebenso irren. Behaupten konnte so ein Kerl viel. Freiberuflicher Journalist! Das war kaum zu überprüfen. Selbst wenn er einen Presseausweis gezeigt hätte, heutzutage konnte man alles fälschen.
Dass er den Spiegel als möglichen Abnehmer für einen Artikel genannt hatte, rundete das Bild für Karola ab. Angepasste Vorgehensweise, sagte sie dazu. «So wie du herausgeputzt warst, brauchte er ein seriöses Magazin. Bei einer von den anderen hätte er wahrscheinlich Frau im Spiegel, Bild der Frau, Das goldene Blatt oder Bella genannt. Warum hat er denn nicht widersprochen, als Heidrun Merz ihm zu verstehen gab, dass sie ihn für einen Polizisten hielt? Das hat sie mit der Widmung auf seinem Buch nochmal hervorgehoben. Und statt ihr klarzumachen, dass sie sich irrte, sagte er zu dir: ‹So untätig bin ich gar nicht.› Weiß Gott nicht!»
Den Satz hatte Karola nach ihrer Rückkehr aus dem Waschraum doch selbst gehört. Und der Rest … Worauf hatten Fischers Fragen denn abgezielt? Auf die Identität des Mörders!Er hatte in Erfahrung zu bringen versucht, ob es in Monas vollständigen Tagebüchern oder auf dem Tonband konkrete Hinweise gab. Es lief darauf hinaus, dass Fischer der Täter sein musste.
Karolas Phantasie in allen Ehren, sonst nahm Marlene das hin. Doch diesmal drängte sich ihr der Verdacht auf, dass Karola nur von
Andy Jäger
ablenken wollte. Und einen harmlosen Journalisten als Ersatz zu nehmen ging ihr entschieden zu weit. Immerhin hatte sie sich mit dem Mann unterhalten.
«Du spinnst doch», protestierte sie. «Wie soll denn der Mörder von der Lesung erfahren haben?»
«Vielleicht von Heidrun Merz persönlich», lautete die Antwort. «Sie wurde wiederholt telefonisch bedroht und nahm an, dass der Täter sie einschüchtern wollte. Zu Annette hat sie gesagt: ‹Jetzt erst recht.› Das könnte sie auch zu ihm gesagt haben.»
Annette hatte nur von Belästigungen gesprochen. Doch das zu erwähnen hätte zu nichts geführt. Marlene versuchte es stattdessen mit Logik. «Wenn ich einigermaßen bei Verstand bin, teile
Weitere Kostenlose Bücher