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Der fremde Freund - Drachenblut

Der fremde Freund - Drachenblut

Titel: Der fremde Freund - Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Vergrößerungen. Ich tat es gern, aber der Aufwand dafür ist jedesmal so groß, daß ich es meist nur zweimal im Jahr mache. Küche und Dusche werden zur Dunkelkammer. Ich esse in der Gaststätte. Diesmal hatte ich fast dreißig Filme zu entwickeln. Es waren schon einmal dreiundsiebzig, und ich hatte Tag und Nacht daran gearbeitet.
    Die Schalen mit Entwickler und Fixierbad stehen auf dem Küchentisch. Auf dem Herd ist das Vergrößerungsgerät mit Zwingen befestigt. Die fertigen Bilder bringe ich im Eimer in die Duschwanne, wo sie wässern.
    Die Aufnahmen stammten fast alle aus der Mark, drei Filme waren vom Achterwasser. Mutter hatte mich einmal gefragt, warum ich nur Landschaften aufnehme, Bäume, Wege, Steine, zerfallene Häuser, lebloses Holz. Ihre Frage machte mich damals verlegen. Ich wußte es nicht, ich konnte ihr nicht antworten. Mir war zuvor nicht bewußt,daß ich nie Personen fotografierte. Als ich darüber nachdachte, konnte ich es mir selbst kaum erklären. Ich glaube, das Fotografieren von Menschen ist für mich ein indiskreter Eingriff in fremdes Leben. Die Vorstellung, ich könnte jemanden auf einem Bild festbannen, ist ohnehin unsinnig. Irgendwo habe ich gelesen, daß es Naturvölker gibt, die es aus religiösen Gründen ablehnen, sich fotografieren zu lassen. (Ich erinnere mich daran, weil es mich verwirrte, eine Haltung von mir mit einer religiösen Motivation wiederzufinden. Ich war verwundert, weil ich bereits bei einigen Religionen eigene Haltungen entdeckt hatte. Dabei spielten Glaubensdinge und Transzendenz bei mir nie eine Rolle. Es gab für mich nie einen Anlaß, mich dazu zu verhalten oder auch nur darüber nachzudenken. Als Kind beschäftigte es mich einige Zeit. Später nicht mehr.)
    Mich stören die unnatürlichen Positionen, die Leute auf Fotos haben. Bäume bleiben bei sich, sie versuchen nicht, ein günstiges Bild von sich zu lügen. Auf jeden Fall interessieren mich eben nur Linien, Horizonte, Fluchten, die einfachen Gegebenheiten von Natur und dem, was wieder von der Natur aufgenommen wurde.
    Im übrigen ist es nur eine Beschäftigung, ich befasse mich gelegentlich damit. Wochenlang mache ich überhaupt keine Aufnahmen und vermisse nichts.
    Obwohl ich nur von wenigen Negativen Vergrößerungen anfertige, sind jetzt schon fünf Schrankfächer mit Fotos vollgestopft. Ich habe mit ihnen nichts vor. Ich will sie nicht ausstellen, und ich zeige sie auch keinem. Was das Ganze eigentlich soll, weiß ich nicht. Solche Fragen stelle ich mir nicht. Es wäre mir nicht möglich, sie zu beantworten. Ich befürchte, solche Fragen würden mich selbst in Frage stellen. Derlei Überlegungen lassen mich gleichgültig. Ich weiß, daß sich manche darüber verwundern, es mir nicht glauben wollen, aber es ist so. Ich bin damit zufrieden. Mich drängt nichts, irgendwelche Rätsel des Lebenszu erforschen. Der Vorwurf, daß ich bewußtlos existiere, wie ein Tier – ich glaube, ein Kommilitone war es, der es mir sagte –, berührt mich nicht. Ich bin lediglich ungeeignet für jede Art von Mystik. Und jede Überlegung, die da mehr sagen will, als die Biologie es vermag, ist für mich mystisch. Ich benötige es nicht. Ich halte das für eine Stärke von mir.
    Ich mag jene Sekunden in der Dunkelkammer, wenn auf dem weißlichen Papier im Entwickler langsam das Bild hervorkommt. Das ist für mich ein Moment von Schöpfung, von Erzeugung. Die Übergänge von dem weißen Nichts zu einem noch unbestimmbaren Etwas sind fließend und überraschen in ihren sich stetig ändernden Strukturen. Das langsame Werden eines Gebildes. Ein Keimen, das ich bewirke, steuere, das ich unterbrechen kann. Zeugung. Eine Chemie von entstehendem Leben, an dem ich beteiligt bin. Anders als bei meinen Kindern, meinen ungeborenen Kindern. Ich hatte nie das Gefühl, beteiligt zu sein. Vielleicht wäre es später gekommen, sehr viel später. Wenn sich in mir etwas bewegt hätte. So blieb es bei zwei Unterbrechungen.
    Das erste Kind wäre zu früh gekommen. Wir studierten beide und hatten andere Sorgen. Das zweite wollte ich nicht. Ich wußte, daß ich nicht bei Hinner bleiben würde. Vielmehr, ich spürte es, wie man instinktiv eine Gefahr spürt, lange bevor sie eintritt. Wir gehörten nicht zusammen. Es gab eigentlich nie einen Krach zwischen uns oder Szenen. Wir gehörten einfach nicht zusammen. Und was sollte da ein Kind. Hinner war erschrocken, als er ins Krankenhaus kam. Ich hatte ihm vorher nichts gesagt, und vielleicht ahnte er

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