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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Und wer ihr nicht nahe stand, würde gar kein Interesse daran haben, ihre Fassung der Geschichte überhaupt anzuhören. Man würde den Stab über sie brechen, und sie würde als ein Monster dastehen, das sich eines unsäglichen Verbrechens schuldig gemacht hatte.

    »Dann müssen wir wirklich aufpassen«, hatte Bert schließlich gesagt. »Die müssen dir Polizeischutz geben! Hinter diesen verrückten Briefen steckt ja dann wirklich ein gestörter Typ, der dir richtig gefährlich werden kann!«
    Er hatte sich immer lustig über sie gemacht, wenn sie wegen der Briefe jammerte und klagte. Nun musste er einräumen, dass ihre Angst begründet gewesen war. Aber Clara vermochte darüber nicht den geringsten Triumph zu empfinden.
     
    Kronborg erschien am nächsten Morgen pünktlich um neun Uhr, der größte Mann, den sie je gesehen hatte. Zum Glück war er nicht unfreundlich zu ihr. Sie hatte geglaubt, auch sein Urteil über sie stehe bereits fest, und sie würde gar keine Gelegenheit haben, ihn davon zu überzeugen, dass sie damals in etwas hineingerutscht war, was sie in seiner wahren Dimension nicht erkannt hatte.
    Im Gegenteil: Kronborg war eher der Typ Mensch, der dazu einlud, sich ihm anzuvertrauen.
    Mehr Beichtvater als Polizist, dachte Clara. Sie musste vorsichtig sein. Sie durfte sich von seinem netten Lächeln nicht einlullen lassen.
    Er hatte lange mit Sabrina Baldini gesprochen.
    »Ihr Anruf bei uns war ungemein wichtig«, sagte er, »denn es hätte wohl sonst sehr lange gedauert, bis wir herausgefunden hätten, dass es diesen Pflegesohn gab. Marius Hagenau. Student der Rechtswissenschaften im vierten Semester.«
    »Hagenau …«, wiederholte Clara. Der Name sagte ihr überhaupt nichts. Eine Sekunde lang keimte Hoffnung in ihr. Konnte es sich doch um eine Verwechslung handeln?
    Kronborg zerstörte ihre Hoffnung jedoch sofort.
    »Er ist seit fast zwei Jahren verheiratet und trägt den Namen seiner Frau. Früher hieß er Peters. Marius Peters.«

    Sie sank in sich zusammen. »Ja. Ja, so hieß er …«
    »Sie haben von dem Mord an dem Ehepaar Lenowsky gehört? Den Pflegeeltern von Marius? Marius wäre keineswegs automatisch unter Tatverdacht geraten, aber nachdem wir nun von den Problemen gehört haben, die es seinerzeit um seine Vermittlung zu den Lenowskys gab … Noch dazu wissen wir von den Drohbriefen, die an Sie, Sabrina Baldini und eine weitere Dame gesandt wurden. Alle hatten in irgendeiner Weise mit dem Pflegekind Marius Peters zu tun. Es überrascht Sie sicher nicht, zu hören, dass Marius Hagenau an die Spitze der Tatverdächtigen aufgerückt ist.«
    »Spitze?«, fragte Clara. »Gibt es denn noch weitere Tatverdächtige? «
    Kronborg musste einräumen, dass es sich eher um eine allgemein übliche Formulierung gehandelt hatte, als um die Wiedergabe eines tatsächlichen Sachverhalts. Es gab keine weiteren Verdächtigen.
    »Dennoch dürfen wir uns zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen keinesfalls einseitig fokussieren«, sagte er, »es ist alles möglich.«
    Aber nicht sehr wahrscheinlich, dachte Clara verzagt.
    »Sie hatten das Kind Marius Peters an das Ehepaar Lenowsky vermittelt?«, fragte Kronborg sachlich.
    Sie nickte. »Ja. Und nein. Irgendwie lief das alles etwas anders als sonst üblich.«
    »Sie waren als Sozialarbeiterin beim Jugendamt angestellt? «
    »In der Abteilung Erziehungshilfe, ja. Die Abteilungsleiterin erschien eines Tages bei mir und berichtete von einem Kindesentzug. Marius Peters, damals sechs Jahre alt. Man hatte ihn angekettet, verlassen und dem Hungertod nahe in der elterlichen Wohnung aufgefunden. Die Familie stand seit langem unter sozialer Betreuung. Die Eltern waren zu diesem
Zeitpunkt nicht auffindbar. Es war klar, dass sie für einige Zeit das Sorgerecht verlieren würden. Kein Gericht würde sich dem entsprechenden Antrag widersetzen. Das Gutachten der Betreuerin wies die beiden als schwere Alkoholiker aus. Ohne Klinik und Entzug und massive therapeutische Maßnahmen würden sie das Kind nicht wiederbekommen.«
    »Bis dahin ein normaler Fall also.«
    »Ja.« Clara schluckte. »Aber er verlor schnell seine Normalität. Es hätte jetzt eigentlich eine Fallbesprechung der ganzen Abteilung geben müssen, an der auch die Kollegin vom Sozialdienst, die ja die Familie und auch das Kind am besten kannte, hätte teilnehmen sollen.«
    »Sie nahm nicht teil?« Kronborg sah in seine Unterlagen. Er hatte sich über die Namen der Beteiligten informiert. »Frau Stella Wiegand,

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