Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
aber du scheinst dich hier dauerhaft einnisten zu wollen?« Den letzten Satz formulierte er als Frage.
Seit Tagen beobachtete er das Haus! Sie konnte sich kaum mehr einreden, dass er harmlos sein sollte.
»Morgen«, sagte sie, »morgen wollte ich …« Sie verbesserte sich: »Heute … es ist ja schon heute. Am Abend geht mein Flug von Marseille.«
Marius wirkte fast ein wenig bekümmert. »Dann bin ich um Haaresbreite zu früh gekommen. Aber das lässt sich nun nicht mehr ändern. Sowieso habe ich fast den Verdacht, zwischen euch hat sich ein … freundschaftliches Verhältnis entwickelt? «
Wie hätte sie das abstreiten sollen? Sie war tagelang bei Rebecca geblieben, und wenn Marius sie beobachtet hatte, wusste er, wie oft sie zusammengesessen und geredet hatten.
»Ich mag sie«, sagte sie leise, »aber du hast ja schon auf dem Schiff angedeutet, dass es irgendwelche Schwierigkeiten zwischen euch gibt.« Sie hob hilflos die Hände. »Marius,
willst du mir nicht erklären, was es damit auf sich hat? Siehst du, ich tappe völlig im Dunkeln. Es scheint sich um ein Vorkommnis zu handeln, das vor unserer gemeinsamen Zeit liegt, zumindest habe ich offenbar nicht das Geringste davon mitbekommen. Ich habe auch mit Rebecca darüber gesprochen. Sie hat auch keine Ahnung, was du meinen könntest. Warum setzen wir drei uns nicht zusammen und sprechen über das alles? Vielleicht entpuppt es sich ja auch als ein Missverständnis, und wir könnten es klären, und …«
Er unterbrach sie scharf. »Da gibt es nichts, was misszuverstehen wäre, kapiert? Gar nichts, absolut nichts. Darüber muss auch nicht mehr gesprochen werden. Was denkst du eigentlich? «, fuhr er sie an. »Denkst du, ich gebe dieser Person auch noch die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen? Sich reinzuwaschen? Willst du das? Willst du, dass sie sich rauswindet und so tut, als wäre sie ein Unschuldslamm?«
Das Thema schien ihn fast durchdrehen zu lassen.
»Ich will es nur verstehen«, sagte Inga, »und Rebecca auch. Gib uns doch diese Möglichkeit!«
Es war deutlich, dass ihn dieser Disput in Rage brachte. Er machte ein paar Schritte auf und ab, wobei seine Bewegungen etwas Aggressives und Unbeherrschtes hatten.
»Uns«, sagte er, »merkst du, dass du von uns sprichst? Als ob ihr eine Einheit bildetet! Du und diese …« Er spuckte das Wort förmlich aus: »Diese Sozialarbeiterschlampe !«
Inga zuckte zusammen. Seine Wut stand beinahe greifbar im Raum.
»Marius«, sagte sie vorsichtig.
Er blickte sie finster an. »Ich kann dich nicht gehen lassen. Du würdest sofort zur Polizei rennen, um den Kopf deiner geliebten Rebecca aus der Schlinge zu ziehen!«
Es war ein naiver Versuch, dennoch unternahm sie ihn. »Nein, Marius. Was immer ihr zu klären habt, klärt es. Ich
verspreche dir, dass ich nach Deutschland fliege und mich nicht um deine Angelegenheiten kümmere.«
Jetzt war sein Blick verächtlich. »Inga, Inga«, sagte er, »hältst du mich für so dumm? Du hast Angst vor mir und würdest mir jetzt alles zusagen. Und du hast Angst um Rebecca. Du vibrierst geradezu vor Angst. Und du denkst, dass der gute Marius ganz schön durchgeknallt ist, stimmt’s?«
Sie wich seinen Augen aus. Er lachte leise. »Klar denkst du das. Seit ich mit dem Schiff abhauen wollte. Seit ich dich in die Kajüte gestoßen habe. Und nun tauche ich auch noch mitten in der Nacht hier auf. Zerschlage das Badezimmerfenster und tappe leise im Haus herum. Du würdest alles daransetzen, zu verhindern, dass ich Rebecca jetzt verhöre!«
»Nein, Marius, ich schwöre dir, dass …«
Mit zwei großen Schritten war er neben ihr, packte ihren Arm und drückte ihr dabei seine Finger, die sich anfühlten, als seien sie aus Stahl, so fest ins Fleisch, dass sie aufschrie – vor Schmerz und vor Schreck.
»Versuche nie wieder, mich zu verscheißern, hörst du? Nie wieder! Ich bin nicht dumm! Ich bin nicht der Letzte! Behandle mich nie wieder so!«
Sie starrte ihn an. Er schüttelte sie. Sie meinte, er breche ihr dabei den Arm.
»Sag Ja ! Sag, du bist nicht der Letzte, Marius ! Sag es!«
Sie schluckte trocken. »Du bist nicht der Letzte, Marius.«
Er ließ sie los. In ihrem Arm pochten die Nerven.
»Ich will dir etwas sagen, Inga: Deine teure Rebecca liegt oben auf dem Fußboden in ihrem Schlafzimmer. Gefesselt. Sie hat einen Knebel in ihrem Mund, und sie wird keine Hilfe herbeischreien können. Ich lasse mich von dir nicht daran hindern, zu tun, weshalb ich hergekommen bin. Und
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