Der fremde Pharao
fremdartigen Vögeln im Haar und Lendenschurze aus Tierfell. Beim Tanzen stießen sie raue Schreie aus. Ihr feuriger Blick schweifte über die Zuschauer, und sie schüttelten seltsame Instrumente. Kuschiten, dachte Kamose. Vermutlich ein Geschenk an unseren König von Teti-en, dem Fürsten von Kusch, diesem katzbuckelnden Nomarchen, der sich damit brüstet, dass er die Gunst der Setius genießt und durch Verträge so eng mit Auaris verbunden ist, dass ihn der König ›Bruder‹ nennt.
Den Tänzern folgten die Zauberer, die Holzstäbe in Schlangen verwandelten, die sich so schwarz und bedrohlich über den Fußboden schlängelten, dass die Frauen aufschrien, doch dann wurden sie beim Schwanz gepackt und wieder zu Stäben. Die Zauberer verstanden sich darauf, sich in Feuer zu hüllen, singende Vögel aus ihrem Mund zu ziehen, und auf andere staunenswerte Dinge. Doch Kamose sah unberührt zu. Draußen schrumpfte der Mond, verblasste vor der Morgendämmerung. Der hochgehende Fluss strömte silbrig dahin, und der dichte, frische Bewuchs an seinen Ufern war noch in Dunkelheit gehüllt.
Er spürte Blicke und hob den Kopf. Apophis starrte ihn über der klatschenden, johlenden Menge ausdruckslos an. Kamose starrte zurück und fragte sich, welche Gedanken dem König wohl durch den Kopf unter dem gestärkten Kopftuch gingen, das auf den königlichen Schultern aufstieß. Zwischen den beiden Männern konnte es keinen Wettkampf geben. Apophis war das Gesetz und Kamose der Verbrecher. Dennoch spürte Kamose bei längerer Betrachtung hinter dem unbeteiligten Blick des Königs Furcht und eine Herausforderung. Das ist zwischen dir und mir, dachte er, als die Königin Apophis’ Hand berührte und er ihr seine Aufmerksamkeit zuwandte. Und das weißt du, so wider alle Vernunft es auch erscheinen mag. Zwischen dir und mir.
Am folgenden Morgen stand Kamose früh auf, wusch sich, kleidete sich an und ging zum Tempel, hinter sich die Soldaten, die zu seiner Bewachung abgestellt worden waren. Er vollzog seine Pflichten Amun gegenüber, sprach kurz mit Amunmose und ging dann in der funkelnden, frischen Luft nach Haus zurück. Die Überschwemmung hatte ihren Höchststand erreicht. Wasser plätscherte an seine Füße, breitete sich bis unmittelbar vor die Felsen aus und spiegelte einen hellen Himmel. Zwei Falken standen reglos über ihm, so als betäubte sie der grelle Sonnenschein und der sanfte Spiegel der großen Lachen unter ihnen. Bei ihrem Anblick wurde ihm das Herz leichter, und er grüßte sie stumm, während er sich dem Haus näherte. Man konnte bereits das Leben und Treiben des königlichen Gefolges hören und den durchdringenden Duft nach frischem Brot riechen, als er sich vom Fluss abwandte und dem Garten zustrebte.
Auf dem Weg dahin holte Yku-didi mit ihm auf. »Der König hat befohlen, dass du ihm in einer Stunde im Empfangssaal aufwartest, Fürst«, sagte er und verbeugte sich. »Du darfst weder Geschmeide noch Sandalen tragen. Ein schlichter Schurz genügt.« Kamose unterdrückte seine Angst. Verbrecher, die zur Urteilsverkündung erschienen, mussten barfuß und ohne Schmuck erscheinen, doch irgendwie hatte er geglaubt, dass sein Rang ihn vor dieser Erniedrigung bewahren würde. Als Antwort nickte er, entließ den Herold und kehrte in die Dienstbotenzelle zurück. Achtoi erhob sich von seinem Schemel vor der Tür.
»Geh zu den anderen Familienmitgliedern und sag ihnen, dass wir uns in einer Stunde im Garten treffen«, wies er seinen Haushofmeister an. »Ist der König schon aufgestanden?«
»Ja, Fürst. Er und sein Gefolge haben die Morgengebete zu Sutech beendet und speisen.«
»Danke. Du kannst gehen.«
Zum ersten Mal im Leben wünschte sich Kamose, dass die Zeit still stehen, dass irgendeine Katastrophe über sie kommen und sie hinwegspülen würde, ehe er sich mit seinen Lieben den Blicken der nördlichen Fremdländer und Apophis stellen musste. Er konnte sich ausmalen, was sie dachten. Erleichterung, dass das Urteil nicht ihnen galt, und gieriger Kitzel bei der Urteilsverkündung, Nahrung für den Klatsch vieler kommender Wochen.
Er betrat sein Zimmer und stand mit geschlossenen Augen da, atmete tief und beschwor die Gesichter seines Vaters und Si-Amuns herauf, um sich Mut zu machen, doch ihr Bild bereitete ihm nur noch mehr Unbehagen. Ich bin böse auf sie, dachte er überrascht. Sie haben mich verlassen, und ich kann die Sache jetzt allein ausbaden, und deswegen bin ich böse. Er wandte sich in Gedanken Amun zu,
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