Der fremde Pharao
Augen auskratzen, wenn sie könnte. Mutter tut, was Vater will. Kamose auch. Ahmose hat nur seine Freiheit im Kopf. Es ist an mir, uns alle zu retten.
Der Haushofmeister kehrte mit einer Palette und Papyrus zurück. »Such Mersu und bitte ihn, zu mir zu kommen«, sagte Si-Amun, als er ihm die Sachen abnahm. »Und dann sag meiner Frau, dass ich gern ein Weilchen mit ihr am Fluss spazieren gehen möchte. Du kannst gehen.«
Er ließ sich zu Boden sinken und kreuzte die Beine, legte die Palette auf die nackten Knie und wählte einen Pinsel aus, dann begann er bedächtig zu schreiben, denn seine Hand durfte nicht zittern. ›Vater hat erneut einen Brief bekommen‹, so fing er an. ›Er hebt ein Heer aus. Bitte komm, ehe er zu weit geht. Ich weiß nicht, was ich tun soll.‹ Er unterschrieb nicht, sondern rollte das Blatt auf, umwickelte es mit einem Stückchen Schnur, versiegelte den Knoten mit heißem Wachs und zeichnete sorgsam in groben Umrissen ein Nilpferd hinein.
Als er fertig war, trat Mersu unter Verbeugungen ins Zimmer. Si-Amun war noch immer nackt und hielt ihm die Rolle hin. Mersu blickte ihn fragend an, nahm sie jedoch. »Du bist, glaube ich, ein Freund von Tetis Oberhofmeister?«, sagte Si-Amun. Mersu nickte.
»Er und ich sind in demselben Dorf als Nachbarskinder aufgewachsen, Fürst«, erwiderte er zurückhaltend. »Und wir haben zur gleichen Zeit die Schreiberschule besucht.«
»Ach so.« Si-Amun verschränkte die Arme. »Dann sorge dafür, dass ihn diese Rolle erreicht. Sie ist für Teti. Eine private Angelegenheit.« Er hatte nicht lügen wollen, doch wenn er gesagt hätte, die Rolle sei für Ramose, hätte sich Mersu gefragt, warum er sie nicht einem der Boten mitgab, die regelmäßig den Fluss befuhren. Si-Amun fiel beim besten Willen keine gute Ausrede für seine Bitte ein. Der Ältere blickte ihn fest und fragend an. Ungeduldig entließ ihn Si-Amun. Er machte sich nicht die Mühe, sich erst noch zu waschen, sondern kramte in seiner Truhe, zog einen sauberen Schurz heraus und band ihn um, darauf machte er sich eilig auf die Suche nach Aahmes-nofretari. Er musste ihre Arme um sich spüren, sie mussten ihm die Sicherheit vermitteln, dass er das Richtige getan hatte, auch wenn sie keine Ahnung hatte. Teti würde kommen. Vater würde auf die besänftigenden Worte seines Verwandten hören. Alles würde gut werden.
Viertes Kapitel
Noch vor Ende des Monats errichteten Trupps von Bauern aus Waset die Unterkünfte in der Wüste hinter den westlichen Felsen. Hor-Aha und seine Soldaten kehrten zurück, und schon bald darauf sickerten über den Nil dunkle, flinke Männer ein und verschwanden hinter den Hügeln. Seqenenres fünfzig erfahrene Gefolgsleute bildeten den Kern seines Heeres, dessen Hauptleute, sie befehligten die neuen Rekruten. Die Zeit reichte nicht, sie richtig auszubilden. Sie mussten allein zurechtkommen oder sie gingen unter. Wer die neuen Bogen schon hatte, musste jene unterweisen, die die bekamen, die von Hor-Aha in fieberhafter Eile hergestellt wurden. Allesamt benötigten sie Bewegung und Drill, Speere, Äxte und Keulen, Wasser und Nahrung. Seqenenre machte sich nicht die Mühe, den Brief des Königs zu beantworten. Es würde mindestens zwei Monate dauern, ehe sich Apophis allmählich fragte, warum aus dem Süden keine Nachricht kam.
Als man die Angelegenheit nicht länger vor der Familie geheim halten konnte, teilte er ihr mit, was er vorhatte. »Ich habe keine Zeit, die Sache ordnungsgemäß zu organisieren«, verkündete er der bestürzten kleinen Gruppe. »Ich habe nur wenige Berufssoldaten, keine erfahrenen Armeeschreiber und Rekruten, keine kundigen Wagenlenker. Vergebt mir, was ich tun muss.« Tetischeri hatte nichts gesagt, Aahotep auch nicht. Kamose bereiste noch immer die Nomarchen, doch Ahmose war sofort herausgeplatzt: »Kamose und ich kämpfen natürlich. Die Maat ist auf unserer Seite, Vater. Wir erleben es noch, dass der Horusthron vor dem nächsten Neujahrstag an uns zurückfällt!« Als Seqenenre in die leuchtenden Augen des Sechzehnjährigen blickte, fragte er sich, ob Ahmose wirklich daran glaubte, dass die Setius dann aus Ägypten vertrieben wären, oder ob er seinen bedrückten Vater nur aufmuntern wollte.
Aahmes-nofretari bemühte sich, ihre Tränen zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Schluchzend stand sie auf, umarmte Seqenenre stürmisch und floh aus dem Raum. Auf ein Nicken seines Vaters hin folgte ihr Si-Amun. Tani klammerte sich mit großen,
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