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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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während sie und Kev ins Pub gingen.
    »Wir gehen aber doch jeden Abend!«, schrie sie den Polizisten an, als er ihr mitteilte, er werde Dayna mit ins Kommissariat nehmen, und sie fragte, ob sie mitkommen wolle. »Wo sollen wir denn mit ihr hin?«, fügte sie hinzu und deutete auf Lorrell, die sich am Boden mit dem Hund herumbalgte. »Ich kann sie doch nicht allein lassen.«
    Aber Dayna war sicher, dass ihre Mutter genau das tun würde. Ihre kleine Schwester tat ihr schrecklich leid, doch der Polizist hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie Lorrell nicht mitnehmen dürfe. »Es ist wichtig, dass du dich konzentrierst«, hatte er erklärt.
    In gewisser Weise kam sie sich richtig bedeutsam vor und vergaß für einen Augenblick ihre Trauer. Beim Hinausgehen hörte Dayna noch, wie sich ihre Mutter in der Küche mit Kev um Geld stritt und mit einem Kochtopf schepperte, um wieder einmal irgendwelchen widerlichen Dosenfraß aufzuwärmen. Sie war froh, da herauszukommen, erst recht jetzt, nach Max’ Tod, da sie das Gefühl hatte, als klaffe eine tiefe Wunde in ihrem Herzen. Sie wollte lieber im Kommissariat herumsitzen als zu Hause, wo sich niemand um sie kümmerte. Die Polizei hatte ihr in den vergangenen achtundvierzig Stunden mehr Aufmerksamkeit geschenkt als ihre Mutter in ihrem ganzen Leben.
    »Was ist das?«, fragte sie, als sie im Auto saßen.
    »Der Polizeifunk«, erklärte Dennis. »Damit kann ich mit den anderen Detectives reden.«
    »Also kein Musiksender?« Ihr Finger schwebte über den Tasten. Max hätte es bestimmt spannend gefunden, in einem zivilen Polizeiwagen zu fahren, solange man nichts ausgefressen hatte. Sie selbst war noch nie festgenommen worden, aber viele von den Kids in der Schule prahlten damit, dass sie wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit, Prügeleien oder Drogenbesitz ein paar Nächte in der Zelle zugebracht hatten.
    Unterwegs überlegte Dayna, was sie sagen sollte. Dennis hatte ihr bereits erklärt, dass sie in Anwesenheit mehrerer Polizisten die ganze Geschichte noch einmal zu Protokoll geben müsse. Sie würden das Gespräch auch aufzeichnen, damit sie alles richtig mitbekamen, hatte er gesagt. Dayna ballte die Fäuste so fest, dass ihre Finger ganz taub und schwitzig wurden. Über Funk ertönte eine blecherne Stimme, und Dennis antwortete etwas, das sie nicht verstand. Allmählich hatte sie das Gefühl, verrückt zu werden, als der einzige Mensch, der sie jemals verstanden hatte, wieder als blutige Leiche vor ihrem inneren Auge erschien.
    »Ich kann es gar nicht fassen, dass er tot ist«, sagte sie leise. Als Dennis nichts erwiderte, dachte sie schon, er habe sie nicht gehört.
    »Ich auch nicht«, kam schließlich seine Antwort.
    Dennis überließ Dayna der Obhut einer Frau, die auf den ersten Blick streng, kalt und gleichgültig wirkte. Doch dieser Eindruck täuschte, wie Dayna kurz darauf festellte. Masters rief ihnen zu, er käme bald zurück, und verschwand mit zwei anderen Detectives.
    »Ich bin Jess Britton«, stellte sich die Frau vor und legte Dayna die Hände auf die Schultern. Ihr Atem roch nach Tee, ihr dunkles Haar war kurz geschnitten. »Ich bin auch ein Detective, wie Dennis. Komm mit, wir holen dir einen heißen Kakao, falls dieser Automat funktioniert.«
    »Danke.« Dayna folgte ihr. Eine Zigarette wäre ihr lieber gewesen. Mit einem Seitenblick stellte sie fest, dass sie und die Polizistin gleich groß waren. Sie fragte sich, ob Jess wohl eine Waffe trug. Es war jedenfalls keine zu sehen. Die Polizistin hatte keine richtige Uniform an, sondern eine weiße Bluse und eine schmal geschnittene schwarze Hose, die der hübschen Frau ein energisches, ein wenig männliches Aussehen verlieh. Auf einem Flur mit grauem Linoleum und Wänden, die bis auf halbe Höhe glänzend grau gestrichen und darüber von einem schmuddeligen Cremeweiß waren, blieben sie stehen. Es roch nach Desinfektionsmittel, wie in der Schule am Montagmorgen. Jess steckte zwei Münzen in den Getränkeautomaten und versetzte dem Gerät einen Tritt, woraufhin ein Plastikbecher herunterfiel, der sich mit schäumendem Kakao füllte. Er war so heiß, dass Dayna den Becher kaum anfassen konnte. Statt eines Dankes brachte sie nur ein Lächeln zustande. Dass sie sich nun in einem Kommissariat befand, hatte ihr das letzte bisschen Kraft geraubt. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die nächsten Stunden überstehen sollte. Wie hatte Dennis es formuliert? Es wird nicht leicht werden, aber du schaffst das .
    Wie hatte er

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