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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Carrie stand schon vor der Haustür und klopfte mit gesenktem Kopf an.
    »Ja?« Die Frau in Jeans und T-Shirt blickte wütend. Neben ihrem Bein tauchte ein Kind auf – es war das kleine Mädchen, das sie im Auto mitgenommen hatten.
    »Ach, da bist du ja«, sagte Leah.
    »War sie wieder unartig?«, fragte die Frau und gab dem Kind einen Klaps auf den Kopf, worauf es rasch im Haus verschwand. »Was wollen Sie?«
    »Das Zeug da vor dem Haus, ist das –«
    »Was für Zeug?« Die Frau spähte mit zusammengekniffenen Augen durch den Zigarettenqualm hinaus.
    »Wissen Sie, wer das da hingelegt hat?«, fragte Carrie.
    »Natürlich nicht. Die Leute schmeißen hier doch jeden Dreck hin.« Sie wollte die Tür wieder schließen.
    »Warten Sie! Ist Dayna zu Hause?«
    Das Gesicht der Frau nahm einen feindseligen Ausdruck an. »Dachte ich’s mir doch, dass ihr Bullen seid. Geht’s wieder mal um diese Messerstecherei? Aber ihr kommt sowieso zu spät. Sie haben sie schon mit aufs Revier genommen. Schon vor einer ganzen Weile.« Wieder wollte sie die Tür schließen.
    »Wer hat sie mitgenommen?«, erkundigte sich Carrie.
    »Dieser Masters. Von mir aus kann er sie dabehalten. Dieses dumme Mädchen treibt sich sowieso bloß rum.«
    Carrie warf einen Blick zu Leah, die sie mit einer Kopfbewegung zum Gehen aufforderte. Auf dem Weg zu ihrem Auto klangen den beiden Frauen noch die erbosten Worte von Daynas Mutter in den Ohren.
    Gott sei Dank, dachte Dennis, als Dayna alles, was sie ihm bereits erzählt hatte, noch einmal laut und deutlich vor den Kollegen und für die Tonbandaufnahme wiederholte. Jetzt, in dieser Umgebung, wirkte das junge Mädchen auf einmal viel reifer und vernünftiger als bei ihren früheren Gesprächen und schien sich vollauf bewusst zu sein, welche Bedeutung ihre detaillierte Aussage hatte.
    »Die ließen einfach nicht locker. Das konnte nur böse enden. Und dann hatte der eine plötzlich ein Messer in der Hand.«
    »Würdest du das Messer wiedererkennen?«, fragte Dennis.
    »Ja, ich schätze schon. Es war so ein Butterfly. Die Klinge sprang unheimlich schnell raus.«
    »Und der Junge mit dem Messer bedrohte also Max?«
    Dayna überlegte. Bei der Erinnerung verzog sie das Gesicht und sagte: »Na ja, irgendwie schon. Wie ich gesagt habe, die johlten rum und bedrängten uns. Und dann wurde es wirklich übel.«
    »Inwiefern?«
    Dennis beobachtete das Mädchen, als es sich die Ereignisse wieder ins Gedächtnis rief. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, wie schwer traumatisiert sie war, und er hasste sich selbst dafür, dass er sie zwang, alles noch einmal zu durchleben. Sie erinnerte ihn an Estelle mit ihren unschuldigen Augen, deren Blick um Anerkennung bettelte. Auch seiner einzigen Tochter hatte er mit Fragen zugesetzt, damals, als er den Verdacht hatte, dass ihre Mutter Kaye fremdging. Noch immer dachte er mit Unbehagen daran, wie er sie unerbittlich über den Liebhaber ihrer Mutter ausgefragt hatte, bis sie in Tränen ausbrach.
    »Sie fingen an, uns zu schubsen und wirklich fest zu treten, und wir konnten nicht weg. Max und ich hatten doch nichts gemacht, nur Pommes gegessen und … geredet.«
    »Hat der Junge mit dem Messer Max erstochen?«
    Daynas Miene wurde ausdruckslos, ihre Augen hart wie Glas.
    »Hast du es gesehen, Dayna?«, drängte Dennis. »War er es?«
    »Ja«, sagte sie und sah ihn direkt an. Tränen stiegen ihr in die Augen, als die verdrängten Bilder wieder hochkamen. »Wieder und wieder«, flüsterte sie und umklammerte die Tischkante. »Er stieß ihm das Messer rein, und alle schrien, nur Max nicht.« Dayna starrte an die Decke. »Es ging rein wie Butter und kam wie in Zeitlupe wieder raus. Als … als er merkte, was er getan hatte, war es, als müsste er es immer wieder tun. Es gab kein Zurück.«
    »Und was war mit Max?«
    Dayna schüttelte den Kopf. »Eine Weile stand er einfach nur da. Und er hat mich die ganze Zeit angeschaut, als wollte er mir was sagen, und dabei wirkten seine Augen ganz fremd. Aus seinen Wunden lief das Blut in Strömen.« Dayna ließ die Tischkante los und senkte den Kopf. »Und dann ging er in die Knie und stürzte zu Boden.«
    »Wann liefen die Jungs davon?«
    Dayna hob mühsam den Kopf. »Als Max am Boden lag. Ich hab geschrien, und die Jungs brüllten auch. Als ihnen klarwurde, was passiert war, rannten sie weg. Ich brauche dringend eine Zigarette. Kann ich eine haben?«
    Jess ging zum Schreibtisch und holte einen Aschenbecher. Jetzt war nicht der richtige

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