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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Zeitpunkt, um Dayna am Fenster rauchen zu lassen und damit ihren Redefluss zu unterbrechen.
    »Die Jugendlichen rannten also davon, als Max zusammenbrach.«
    Nickend stieß Dayna den Rauch aus.
    »In welche Richtung sind sie gerannt?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich zum Schultor. Ich hab nicht darauf geachtet, weil ich versucht habe, Max zu helfen.« Sie schluchzte auf, doch ihre Augen waren jetzt wieder trocken. Sie schniefte und zog noch einmal an der Zigarette. »Ich kam mir so nutzlos vor, als er da vor meinen Augen starb. Ich hab den Rettungswagen gerufen und versucht, mich an den Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern.«
    »Das hast du gut gemacht«, sagte Jess. »Wir haben viele Leute aus deiner Schule befragt. Keiner von ihnen hat die Tat selbst beobachtet, aber einer oder zwei behaupten, sie hätten die Jungen weglaufen sehen. Wäre es möglich, dass sie das Schulgelände auf einem anderen Weg verlassen haben? Denk bitte gut nach.«
    Dayna runzelte die Stirn und starrte erneut an die Decke, während Dennis Jess einen finsteren Blick zuwarf. Was fiel ihr denn ein? Da hätte sie ja gleich sagen können, dass es widersprüchliche Aussagen gab.
    »Jess möchte wissen, ob du sicher bist, dass sie zum Schultor hinausgelaufen sind.«
    »Ja, ziemlich sicher.«
    »Und hatte der Junge, der zugestochen hat, das Messer beim Weglaufen noch in der Hand?«, fragte Dennis weiter.
    »Muss wohl.« Dayna zuckte unentschlossen mit den Schultern.
    »Haben sie etwas gesagt, als sie davonliefen?«
    Dayna schniefte noch einmal, dann hustete sie. »Sie haben jedenfalls nicht auf Wiedersehen gesagt.«
    Dennis kam sich albern vor. Das hatte er natürlich nicht gemeint. »Was auch immer, Dayna. Kannst du dich an irgendetwas erinnern?«
    »Einer schrie: ›Scheiße, blöd gelaufen!‹ Ich wusste nicht, was er damit meinte.«
    »Du hast gesagt, sie hätten dich und Max verhöhnt und getreten«, fuhr Jess fort, während sie sich Notizen machte.
    »Ja. Es war schrecklich.«
    »Wohin haben sie dich getreten?«
    »Überallhin. Gegen die Schienbeine und so.«
    »Hast du blaue Flecken?«
    Dayna saß einen Augenblick lang reglos da, dann zuckte sie die Achseln. »Wahrscheinlich. Ich weiß nicht.«
    »Dürften wir mal sehen? Könntest du deine Hosenbeine wohl ein bisschen hochziehen?«
    Dayna zögerte und blinzelte.
    »Es wäre wichtig für uns«, sagte Jess.
    Daraufhin beugte sich Dayna vor und zog ein Hosenbein bis zum Knie hoch. »Hier war es ungefähr. Und am anderen Bein auch.«
    »Dürfte ich das auch mal sehen?«
    Dayna gehorchte. Als sie sich anschließend bückte und ihre Kleidung wieder in Ordnung brachte, warf Dennis Jess einen Blick zu und schüttelte dabei leicht den Kopf, wie um ihr zu verstehen zu geben, sie solle es nicht übertreiben.
    »Ich konnte keine Blutergüsse erkennen«, stellte Jess fest.
    Dayna nahm die Zigarette vom Aschenbecher und klemmte sie zwischen zwei Finger. »Meine Beine tun aber immer noch weh.«
    Dennis rutschte auf seinem Stuhl herum. Er sah, worauf Jess hinauswollte, doch wenn sie in diesem Tempo weitermachte, würde sie nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten. »Vielleicht war es nicht fest genug für blaue Flecke«, sagte er, um die Situation zu entschärfen, da er merkte, dass Dayna nervös wurde.
    Das Mädchen nickte. »Hm.«
    »Aber du hast doch gesagt, die Jungs hätten dich getreten«, beharrte Jess.
    Du lieber Himmel, dachte Dennis und sagte: »Vergessen wir das mit dem Treten mal für einen Augenblick, ja?« Doch Jess und Dayna beachteten ihn nicht.
    »Wollen Sie damit sagen, dass ich lüge?«
    »Keineswegs. Ich möchte mir nur Klarheit verschaffen. Das ist wichtig. Du sagtest, die Jugendlichen hätten dir heftige Tritte versetzt. Dann verstehe ich aber nicht, warum du keine blauen Flecken hast. Und jetzt sagst du auf einmal, sie hätten doch nicht so fest zugetreten.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht war es wirklich nicht so fest. Ich versuche ja, mich an alles zu erinnern, wirklich. Ich will, dass Sie sie kriegen. Mein bester Freund ist tot.« Sie drückte die Zigarettenkippe im Aschenbecher aus und ließ wieder den Kopf hängen.
    Na toll, formte Dennis lautlos mit den Lippen, doch Jess ignorierte ihn und blätterte eine Seite in ihrem Notizbuch um.
    »Lass uns ein wenig weiter zurückgehen, Dayna«, sagte er. »Mich würde interessieren, wer Max’ Feinde waren, und da du seine beste Freundin warst, frage ich am besten dich.«
    Noch ehe er geendet hatte, brach Dayna in hysterisches Lachen aus.

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