Der fremde Sohn (German Edition)
Gesicht. »Wenn du dir unbedingt mit diesen blöden Dingern die Ohren zudröhnen willst, dann musst du eben auf Überraschungen gefasst sein.« Sein Vater lachte schallend. Offensichtlich hatte er gute Laune.
Max nahm die Ohrhörer heraus und spürte das schwache Tss-Tss der Musik in seiner Handfläche. Er schaltete den iPod aus und verstaute die dünnen Kabel in seiner Tasche. Dann wischte er sich die Hände an seiner Jeans trocken und folgte seinem Vater ins Wohnzimmer. »Hier drin hab ich noch nicht aufgeräumt.«
»Gut, dann finde ich wenigstens alles wieder«, gab Brody zurück.
»So kannst du es aber nicht lassen. Tut denn diese Frau, die du da hast, keinen Handschlag?«
»Erstens habe ich diese Frau nicht. Zweitens gibt es keinen vernünftigen Grund, dass du in diesem Ton von ihr sprichst, und drittens bist du ein Teenager und solltest Verständnis und Sympathie für Unordnung aufbringen. Erzähl mir nicht, dass du zu Hause dein Zimmer aufräumst, wenn deine Mutter es sagt.« Brody steckte sich eine Zigarette an.
Max überlegte, ob er wohl auch eine rauchen durfte. Würde sein Vater es überhaupt merken?
»Bedien dich.« Damit war die Frage beantwortet. Brody warf ihm zielsicher die Packung zu. Wie machte er das nur? »Und erzähl mir nicht, dass du nicht rauchst.« Brody ging im Zimmer umher und schloss alle Fenster. »Ich rieche es doch. Verdammt kalt heute«, fügte er hinzu.
Die nächsten zehn Minuten saßen Vater und Sohn schweigend da. Max beobachtete, wie sich die Wangen seines Vaters bei jedem genüsslichen Zug nach innen zogen. Er hatte eine ganz besondere Art, die Zigarette mit seinen großen, dick geäderten Händen geschickt zum Mund zu führen und die Lippen darum zu schließen. Max machte es seinem Vater nach. Er schaute auf seine eigenen Hände, die kleiner, ein wenig heller und glatter waren. Als er die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger drehte, fiel sie ihm auf den schmutzigen Teppich.
»Fackel mir nicht die Bude ab«, ulkte Brody.
Lachend hob Max die Zigarette wieder auf und klopfte die Asche ab. »Hier«, sagte er, »ich hab dir was mitgebracht.« Er schob seinem Vater die Schachtel hin.
Brody hob sie hoch und schüttelte sie. Die Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, wog er sie in der Hand. »Hoffentlich nicht schon wieder ein Blutdruckmessgerät.«
Max machte ein betretenes Gesicht. »Es ist ein elektrischer Quirl. Du kannst Eier damit schlagen. Oder Milch aufschäumen.«
»Warum zum Teufel sollte ich das tun?«
»Für Omelettes, Cappuccino – was weiß ich?« Max hätte ihm das Geschenk am liebsten wieder abgenommen, aber seine Mutter wollte es bestimmt auch nicht. »Ich lege ihn in den Küchenschrank. Lass dir von Fiona zeigen, wie er funktioniert. Er kann ganz nützlich sein.« Er bemühte sich, in weniger unfreundlichem Ton von ihr zu sprechen. Tatsache war jedoch: Solange sie im Leben seines Vaters eine Rolle spielte, würden sich seine Eltern nicht wieder versöhnen. Das war eine verrückte Idee, das wusste er, doch sosehr er sich auch bemühte, er konnte Fiona einfach nicht leiden. Als die Probleme anfingen, hatte sie den Platz seiner Mutter eingenommen.
»In der Küche ist kein Platz mehr wegen dem ganzen anderen Scheiß, den du mitgebracht hast. Also keine Küchengeräte mehr, mein Sohn, verstanden? Gegen die Handys und CD s habe ich ja nichts einzuwenden, und der Wochenendtrip war eine nette Sache, aber keine elektrischen Grillpfannen und Backautomaten mehr.«
Max blinzelte. Sie waren immer offen zueinander gewesen. »Klar, Dad.« Er stand auf. »Ich mach dann mal mit dem Abwasch weiter.«
»Den Teufel wirst du tun«, erwiderte Brody. Er richtete sich auf und packte seinen Sohn am Arm. »Wir gehen feiern.«
»Was gibt’s denn zu feiern?«
»Dass mein kleiner Schützling eine Nuss geknackt hat, die ein Junge normalerweise gar nicht knacken kann. Und du, mein Sohn, hast eine neue Frau.«
Max erstarrte. »Eine neue Frau?«
»Leugne es nicht, Maxie. Du riechst wie ein ganzer Parfumladen. Calvin Klein? Armani?«
»Beckham.« Max zog seine Kapuzenjacke an.
Brody lächelte vor Stolz so breit, dass seine weißen Zähne blitzten. »Ist sie ’ne heiße Braut? Hat sie große –«
»Nein, Dad, es ist nicht so, wie du denkst.« Max stieß einen tiefen Seufzer aus, warf seinem Vater den Ledermantel zu und nahm den Schlüsselbund vom Fensterbrett. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er plötzlich wieder an dieses sonderbare Mädchen an seiner neuen
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