Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
Vom Netzwerk:
sie überhaupt ausgesprochen? Vielleicht hatte seine Stimme ihn erneut im Stich gelassen.
    Über ihren Köpfen donnerte ein Zug über die Brücke. Max zuckte zusammen, Dayna jedoch stand ganz still, ihre Hände noch immer fest in seinen. Für ihn hätte es ewig so bleiben können.
    Und plötzlich war sie fort. Es gab ihm einen Stich ins Herz, und er brauchte eine Weile, um sich ins Gedächtnis zu rufen, wie sie ihn eben angesehen hatte. Er schaute ihr nach, wie sie über das unebene Gelände davonrannte. Warf sie ihm tatsächlich einen Blick über die Schulter zu und lächelte ihn sogar an, oder spielte ihm sein Unterbewusstsein einen grausamen Streich, um ihm vorzugaukeln, es bestünde noch Hoffnung?
    Er beobachtete, wie ihre Kleidung flatterte, als sie durch das Gebüsch hinauf zum Fußweg rannte, zurück zur Schule. Ein heißer Schmerz erfasste seinen ganzen Körper. Es kam ihm so vor, als sei sein Herz gebrochen.
    Er hatte sie küssen wollen, und sie war davongelaufen.
    Irgendwie brachte Max die Kraft auf, in die Hütte zurückzugehen, die alberne Duftkerze anzuzünden und sich einen halbgerauchten Joint anzustecken. Dieselbe Kraft zwang ihn, die Zeitung wieder aufzunehmen und den Teilnahmeschein weiter auszufüllen.
    Ergänzen Sie den Satz und gewinnen Sie zwei Achtzehn-Gang-Mountainbikes mit ultramoderner Federungstechnik, die auch dem härtesten Gelände trotzen .
    Für jeden ein Fahrrad, dachte er, während er auf das Foto starrte und versuchte, Daynas Bild aus seinem Kopf zu verbannen. Das waren schicke Dinger, ganz anders als der alte Drahtesel, auf dem er durch die Straßen Londons strampelte. Sie könnten Touren unternehmen, er und Dayna. Ihre Rucksäcke nehmen und einfach losfahren.
    Das Leben ist schön mit Süßwaren von Sherano Rocky Road, weil …
    Max kaute an seinem Bleistift und zog an seinem Joint. Dann wischte er sich die Tränen ab. Er hatte keine Idee, wie er den Satz ergänzen sollte. Das Leben war einfach nicht schön. Er fühlte sich so einsam. Wenn er den Fernseher einschaltete oder eins von diesen Klatschblättchen aufschlug, hatte er größere Chancen, seine Mutter zu sehen, als in Wirklichkeit. Mit seinem Vater lief es besser, nur dass der Mann für so ziemlich alles blind war außer für seinen Job und dieses blöde Wunderkind, von dem er ständig faselte. Abgesehen davon, dass er Dayna kennengelernt hatte, war es in der Schule jetzt noch schlimmer als in Denningham. Vor nichts und niemandem hatte er mehr Angst als vor den Banden an der Milton Park. Die Jungs an seiner alten Schule hatten ihm Tag und Nacht das Leben zur Hölle gemacht, aber in Milton lauerte auf Schritt und Tritt eine unsichtbare Bedrohung, unterschwellige Gewalt.
    Was stimmte bloß nicht mit ihm?
    … weil es für mich nicht schlimmer werden kann, als es schon ist .

Montag, 27. April 2009

    C arrie erwachte mit dem Gefühl, als warte plötzlich ein gleißendes Licht am Ende des schwarzen Tunnels, in dem sie seit Freitag gefangen war.
    »Ich weiß, dass es an den Medikamenten liegt«, sagte sie zu Leah, die auf ihrer Bettkante saß.
    Leah nickte. »Ich habe dir Tee gemacht.« Sie reichte Carrie einen Becher. »Vorhin hat jemand angerufen«, fügte sie hinzu, doch Carrie sagte nur: »Das letzte Mal, dass mir ein Tee so gut geschmeckt hat, war gleich nach Max’ Geburt.«
    Unter dem Einfluss der Beruhigungsmittel konnte sie den Namen ihres Sohnes aussprechen, ohne, wie in den vergangenen Tagen, diesen entsetzlichen Schmerz zu empfinden. Am Vorabend hatte Leah noch zu später Stunde den Arzt rufen müssen, der drei verschiedene Medikamente verschrieb und Leah anwies, die Einnahme zu überwachen. Carrie selbst war es gleichgültig, was und wie viel sie schluckte.
    »Ich habe das Mädchen nach Hause bringen lassen.«
    Carrie nickte. Allmählich kehrte die Erinnerung zurück. Dayna … Max’ Zimmer … sein Geruch … seine Unordnung … was Dayna gesagt hatte … Alles ging ihr wirr durch den Kopf, doch nichts davon berührte sie besonders.
    »Ich glaube, das Mädchen steht auch unter Schock«, fuhr Leah fort. »Ich habe versucht, mit ihr zu reden, aber sie brachte kaum ein Wort hervor. Dabei werde ich das Gefühl nicht los, dass sie etwas weiß.«
    »Natürlich weiß sie etwas.« Carrie war selbst überrascht, wie normal ihre Stimme klang. »Erinnerst du dich noch an den Kerl, der vor einigen Jahren seine Familie ausradiert hat?« Carrie richtete sich auf und lehnte sich gegen die Kissen. Als Leah nickte, setzte

Weitere Kostenlose Bücher