Der fremde Sohn (German Edition)
gezeigt, dass sich die Jugendlichen in dieser Gegend auf einige wenige Messertypen beschränken. Das unterliegt einer gewissen Mode und hängt auch davon ab, was auf dem örtlichen Schwarzmarkt zu bekommen ist.«
»Was für ein Messer war es denn?«, fragte Brody. Gleich darauf hörte er, wie ein Hefter aufgeschlagen und ein Blatt Papier über den Tisch geschoben wurde. Es folgte ein kurzes Schweigen, dann Carries erschrockener Ausruf: »O Gott.«
»Was ist?«, wollte Brody wissen.
»Das Foto zeigt ein Küchenmesser«, erklärte Dennis.
»Eins von meinen Küchenmessern«, setzte Carrie flüsternd hinzu.
Brody stellte sich das Küchenwerkzeug – zweifellos ein teures Markenfabrikat – bildlich vor, mitsamt dem eingetrockneten Blut, das vielleicht am Griff in dicken Placken abplatzte.
»Bist du sicher?«, fragte Dennis.
»Ich kann dir das restliche Set zeigen, wenn du willst. Es war ein Spezialimport aus Japan, aus hochwertigstem Stahl mit Abalonegriffen. Jedes Stück hat an die dreihundert Pfund gekostet.«
»Ist dir nicht aufgefallen, dass eins fehlte?«
»Nein, ich koche ja nicht«, gestand sie.
Brody knurrte und schüttelte den Kopf. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er und stand auf, um seine schmerzenden Beine zu strecken. Er hatte am Vorabend nicht einschlafen können, und als er endlich doch wegdämmerte, war sein Körper vom Alkohol und der Trauer zusammengekrümmt.
»Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht, Herr Professor. Kann es sein, dass Max es für nötig hielt, zu seinem eigenen Schutz ein Messer bei sich zu tragen? Das wäre das Nächstliegende. Bei einer Auseinandersetzung könnte dann einer aus der Bande das Messer an sich genommen haben.«
»O nein … mein Gott, nein«, wimmerte Carrie. »Er wurde mit einem von meinen Messern umgebracht.«
»Wir müssen noch die Laborergebnisse abwarten, aber es ist sehr wahrscheinlich. Ich weiß, wie niederschmetternd es für Sie beide ist, aber für uns bedeutet dieser Fund einen gewaltigen Fortschritt. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch weitere Beweise finden werden und dass es bald zu einer Festnahme kommt.«
Brody hörte gar nicht mehr zu, und er hatte den Eindruck, dass es Carrie ebenso erging. »Geben Sie uns Bescheid, sobald Sie die Ergebnisse haben.« Brody streckte den Arm aus – das Zeichen für Fiona, die schweigend dabeigesessen hatte, ihn aus dem Raum zu führen.
»Warte!«, hörte er Carries Stimme, gefolgt vom Scharren eines Stuhls. Doch für ihn war die Besprechung beendet. Es gab nichts mehr zu sagen. Nichts würde Max wieder lebendig machen.
Brody lehnte sich an die noch warme Motorhaube des Wagens und steckte sich eine Zigarette an. An den raschen Schritten hinter ihm hörte er, dass seine Exfrau ihm gefolgt war.
»Warum hätte er das tun sollen – ein Messer bei sich tragen?«, fragte Carrie gleich darauf atemlos.
Brody zuckte die Achseln und zog tief an seiner Zigarette. »Wann hat das eigentlich angefangen, dass alles den Bach runterging, Carrie?«, gab er zurück und stellte sich ihre angewiderte Miene vor, als ihr der Zigarettenqualm in dicken Schwaden ins Gesicht wehte.
»Letzten Freitag«, erwiderte sie ruhig.
»Was haben sie dir gegeben?«
»Keine Ahnung. Darum kümmert sich Leah.«
Brody lachte bitter. »Also brauchen wir jetzt beide jemanden, der sich um uns kümmert?« Fiona saß bereits im Auto und telefonierte, um seine Termine an der Uni zu verschieben. Brody klopfte mit der flachen Hand an die Scheibe.
»Scheint so«, war Carries überraschende Antwort.
»Also, wie konnte das geschehen?« Brody spürte, wie sich die Glut seinen Fingerspitzen näherte. »Meinst du, es hat damit angefangen, dass wir uns nicht mehr liebten? Oder waren wir beide zu stolz zuzugeben –«
»Hör auf, Brody!« Er verstummte. »Bitte, ich kann das jetzt nicht ertragen.«
»Natürlich nicht«, entgegnete er und warf die Kippe weg. »Die Wahrheit tut weh.«
»Du bis nie darüber hinweggekommen, dass ich dich verlassen habe, nicht wahr?«
Brody nahm den leisen zornigen Unterton in ihrer Stimme wahr. Genau das hatte er bezweckt.
»Du konntest dich nie damit abfinden, dass wir uns so rasant auseinandergelebt hatten, dass … dass …«
Brody hörte enttäuscht zu, wie ihre Stimme erstarb. Er streckte die Hände nach ihr aus und bekam ihre Arme zu fassen. »Ich habe über alles nachgedacht, Carrie. Wir hätten eine Lösung gefunden, aber du hast mir ja nie eine Chance gegeben. Du warst diejenige, die Karriere
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