Der fremde Sohn (German Edition)
gearbeitet.« Sie knallte das Fenster wieder zu.
Die Jungen lachten nur, ohne ihr monotones Spiel zu unterbrechen.
»Kennt ihr meinen Sohn?«, wandte sich Brody an die Jungen und tastete mit dem Fuß nach der Bordsteinkante.
Das Wummern des Balls verstummte. »Kann schon sein.«
»Er ist tot.«
»Is’ nich’ wahr, Mann.« Einer der beiden klemmte sich den Ball unter den Arm, und sie kamen mit wiegenden Schritten auf Brody zu. Er war sicher, dass sie sein Gesicht kannten, und er kannte ihre Stimmen. Sie gehörten zu einer Gruppe von ungefähr einem Dutzend Jugendlicher, mit denen er hin und wieder ein paar Worte gewechselt hatte, seit er hier wohnte. Anfangs hatten sie sich ruppig und aggressiv gegeben, dann waren sie neugierig geworden und hatten herauszufinden versucht, ob bei ihm Drogen oder Alkohol zu holen waren. Im Grunde waren es keine schlechten Kerle. Nur ständig darauf aus, sich und ihr Revier zu verteidigen. Daher mochten sie keine Fremden.
»Er wurde an der Schule erstochen.«
Brody hörte sie ein paar leise Worte wechseln und stellte sich vor, wie sie die Köpfe schüttelten, auf den Boden starrten und nicht wussten, was sie sagen sollten.
»Ich hab dir ja gesagt, Mann, is’ ne Scheißgegend hier. Heutzutage is’ man nirgendwo mehr sicher.«
»Ja.« Brody lauschte auf das sanfte Brummen von Fionas Wagen. Er wusste gar nicht, warum er den Jungen das alles erzählte. Hatte er allen Ernstes erwartet, dass sie an Max’ Schicksal Anteil nahmen?
»Ich kenn deinen Sohn. Das is’ doch dieser Dünne, der den Mund nich’ aufkriegt.«
»Das ist er wohl«, erwiderte Brody. Jetzt hörte er das Motorengeräusch von Fionas Lexus.
Fiona ließ das Fenster herunter. »Hallo.« Ihre Stimme klang freundlich, aber ernst. Sie stieg aus und lotste Brody auf den Beifahrersitz.
»Er hätte viel mehr reden sollen«, murmelte Brody beim Einsteigen. Fiona fragte ihn, wie er das meinte. »Dann wäre er vielleicht noch am Leben.«
»Kommen Sie zur Sache, Detective.« Brody wusste, dass Carrie auf dem Weg war, und er wollte die Neuigkeit erfahren, bevor sie eintraf. An dem Geruch nach kaltem Zigarettenrauch und an der Akustik merkte er, dass sie sich wieder in demselben Vernehmungszimmer befanden. Sekunden später wurde die Tür geöffnet, und er wusste sofort, dass es Carrie war, noch ehe sie ein Wort sagte. Lag es an ihrem Parfum, der Art, wie sie erschrocken nach Luft schnappte, dem Klimpern ihrer Armreifen oder am Geräusch ihrer Schritte? Brody spannte sich unwillkürlich an. Wahrscheinlich übte sie diese Wirkung auf jeden aus.
»Was gibt es Neues? Was ist passiert?«, fragte seine Exfrau sofort.
»Carrie«, sagte Brody, ein wenig überrascht, weil sie so ruhig klang. Er hörte, wie sie sich einen Stuhl heranzog und als Vierte am Tisch Platz nahm. Er hatte Fiona gebeten, ihm beizustehen, da er nicht wusste, welche Neuigkeiten ihn erwarteten und wie er darauf reagieren würde.
»Brody, was ist los?«
Brody schwieg.
»Jetzt, da Sie beide anwesend sind, kann ich Ihnen sagen, dass einer meiner Officers heute im Morgengrauen ein Messer gefunden hat. Die Beamten haben das Gelände entlang des Baches bis hinunter zur Bahntrasse abgesucht. Es ist ein Streifen Brachland etwa fünfhundert Meter hinter der Schule. Das Messer war in eine Plastiktüte gewickelt und lag versteckt in einem Regenabflussrohr.«
»Donnerwetter, das ist ja wirklich ein bahnbrechender Fund.« Brody brauchte ein Glas Wasser. Seine Kehle war wie ausgedörrt, seine Lippen spröde.
»Wir glauben, es könnte sich um die Waffe handeln, mit der Ihr Sohn getötet wurde.«
»Woraus schließen Sie das?«
Brody runzelte die Stirn, als er Carries monotone Stimme hörte. Er glaubte die Beruhigungsmittel zu riechen, die in ihrem Körper am Werk waren. Er konnte es ihr nicht verdenken, dass sie etwas eingenommen hatte.
»Natürlich wissen wir es noch nicht mit Sicherheit. Die Waffe wird zurzeit in der Forensik untersucht. Wenn die Blutspuren übereinstimmen, werden wir es in wenigen Stunden wissen.«
»Blut?«, wiederholten Brody und Carrie wie aus einem Mund.
»Ja, an der Waffe war Blut.« Als Dennis zögerte und einen Seufzer ausstieß, wusste Brody, dass da noch mehr im Busch war. Schließlich hatte er gelernt, die kleinsten Anzeichen zu deuten. »Es war nicht die Art Messer, die wir aufgrund des vorläufigen Obduktionsberichts erwartet hätten«, fuhr Dennis fort. »Unsere Aktion ›Waffen gegen Straffreiheit‹ und frühere Vorfälle haben
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