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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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tief inhaliert hatte. Wie konnte sie das nur tun? Wie konnte sie nur allen davon erzählen? Zuerst waren da die verstohlenen Blicke gewesen, die einige Mädchen aus ihrer Jahrgangsstufe ihm zuwarfen. Dann das Gekicher in der Mensa. Danach passierte ein oder zwei Tage lang nichts. Er hatte nur dieses warme Gefühl im Bauch, von dem er hoffte, dass sie es auch empfand.
    Ende Januar ging es dann mit den Anrufen los. Er war im Grunde schon daran gewöhnt, doch diese gingen wirklich unter die Gürtellinie. Es waren böse Worte, höhnisch und grausam, und jedes einzelne schnitt ihm ins Herz.
    Als er nun glaubte, Schritte vor der Tür des Schuppens zu hören, ballte er wütend die Fäuste. Es gab so vieles, das er ihr sagen wollte, doch in letzter Zeit war es für ihn am einfachsten gewesen, gar nichts zu sagen. Sie waren einander aus dem Weg gegangen – hatten sich auf dem Flur nicht angesehen und sich in der Klasse den Rücken zugekehrt. Anfangs hatten sie noch kurz miteinander telefoniert, doch dann konnte Max den Kontakt zu ihr einfach nicht mehr ertragen. Er rief ihm schmerzhaft ins Bewusstsein, was sie getan hatte. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, sich abzuschotten, und nie zuvor war ihm diese Fähigkeit so sehr zustattengekommen wie jetzt.
    Jemand polterte an die Tür. Max zog an seiner Zigarette und schloss die Augen, doch es war alles noch da, schmerzhaft, quälend.
    Beim ersten Anruf beschimpfte jemand ihn als Versager. An so etwas war er schon gewöhnt, doch diesmal war es anders. Diesmal kam sie ins Spiel, sie habe einen Versager gebumst, und das tat schrecklich weh. Die zweite Nachricht bestand aus beleidigenden Äußerungen über seinen Körper, Dinge, die nur Dayna wissen konnte. Der nächste Anrufer machte sich über seine nicht vorhandene Potenz lustig und ging dabei bis ins kleinste Detail. Hatte sie ihnen denn alles erzählt? Beim letzten Anruf –
    »Max, verdammt, lass mich rein! Ich weiß, dass du da drin bist.«
    Ihr hartnäckiges Poltern bohrte sich ihm ins Hirn. Endlich stand er auf und zog den Riegel zurück, und da war sie wieder. Mitten in seinem Herzen. Beim Anblick ihres kleinen, blassen Gesichts wusste er wieder ganz genau, warum er sie geliebt hatte.
    Er schloss die Tür. Dann beobachtete er Dayna, die nervös in der engen Hütte auf und ab ging.
    »Max«, sagte sie mit tiefer, zittriger Stimme, als müsse sie ihren ganzen Mut zusammennehmen. Als er den Schmerz in ihrem Blick sah, hätte er sie gern in den Arm genommen, sie gehalten und getröstet.
    Doch er schaute sie nur wortlos an. Was konnte er sagen, damit alles wieder gut würde?
    »Ich bin schwanger.«

Donnerstag, 30. April 2009

    D ennis packte ein Würstchen im Schlafrock aus. Als er hineinbiss, fielen ein paar Krümel auf seine dunkle Hose. Er wischte sie mit der Hand weg. Bei diesem Verkehr ging es einfach nicht voran. »Ich weiß wirklich nicht, Jess«, sagte er und biss in das wenig appetitliche Frühstück, das er sich in einem kleinen Lebensmittelladen gekauft hatte.
    »Wir müssen es eben versuchen«, erwiderte Jess und blickte aus dem Seitenfenster. Offenbar war ihr nicht entgangen, wie verzweifelt er eine Verhaftung im Fall Kent herbeisehnte. »Wir müssen es eben versuchen«, wiederholte sie mit sanfter Stimme.
    Dennis, den ihr Mitgefühl überraschte, klemmte sich das Brötchen zwischen die Zähne und schaltete in den ersten Gang, als der Verkehr wieder zu fließen begann. Schweigend fuhren sie weiter.
    Sie scheint doch ein Herz zu haben, dachte er, froh darüber, dass sie ihm auf dem Rückweg vom Gericht zur Dienststelle Gesellschaft leistete. Am liebsten hätte er rund um die Uhr an Max’ Fall gearbeitet, aber er musste sich auch noch mit anderen Dingen befassen. Der Fall, den sie heute verhandelt hatten, war schwierig, doch jetzt würde er bald abgeschlossen sein, und sie konnten sich wieder ihrem wichtigsten Fall widmen.
    »In meiner gesamten Zeit bei der Kripo habe ich noch nie …« Jess drehte sich abrupt zu ihm um und beugte sich so weit zu ihm herüber, wie ihr Sicherheitsgurt es zuließ. Er spürte ihre Nähe und roch ihr Parfum. Es war das gleiche, das sie immer bei der Arbeit trug, doch heute wirkte der Duft intensiver, fast aufdringlich, als würde er von irgendwelchen chemischen Reaktionen auf ihrer Haut verstärkt. Dennis horchte auf und fragte sich, worauf sie hinauswollte.
    »… so ein Chaos erlebt, bei dem es einfach kein Durchkommen gibt«, beendete sie ihren Satz.
    »Es ist mehr als ein

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