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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Ich habe sie so geordnet.« Er gestand sich nur ungern ein, dass er sie wirklich brauchte.
    »Schaurig«, hörte er sie sagen, als er, sein Haar mit einem Handtuch trockenrubbelnd, wieder ins Wohnzimmer kam.
    »Was denn?«
    »Das Buch hier. Überlebenstraining für den Schulhof . Ist schon schlimm, was da abläuft.«
    »Fast wie im wirklichen Leben«, dröhnte Brody. »Du kannst es mir später vorlesen. Wenn wir in der Futterhütte waren.« Er ließ das Handtuch zu Boden fallen und hörte Fiona seufzen.
    »Warum müssen wir überhaupt in dem Schuppen essen? Das Tagesgericht von gestern liegt mir immer noch im Magen.«
    »Wir werden uns ein paar Jugendliche genauer ansehen.«
    Fiona stand auf und klimperte mit den Autoschlüsseln. »Schon wieder Kids nachspionieren? Ich versteh’s nicht. Und was ist mit diesem Buch über Mobbing?« Sie hob ihre Tasche auf. »Ich will es wissen.« Schweigen. »Sammelst du Material für eine neue Forschungsarbeit, oder verliert Professor Quinell einfach nur den Verstand?«
    »Weder noch«, antwortete er. »Aber wenn du dir noch mehr fettiges Futter zumutest, erzähle ich es dir.«
    Sie mussten eine Weile warten. Die Hälfte der Plätze war von Schülern einer nahe gelegenen öffentlichen Schule belegt. An den übrigen Tischen saßen wie gewöhnlich alte Leute, Arbeiter und alleinerziehende Mütter, die den ohnehin beengten Raum mit ihren Kinderwagen vollstellten. Auch diesmal bediente Edie. Als sie Brody und Fiona sah, die in der Schlange warteten, wischte sie sich die Hände an der Schürze ab und gab den beiden schon mal eine Speisekarte.
    »Sie sind noch nicht da.« Brody lehnte sich an die Wand. Die Warteschlange war jetzt so lang, dass die letzten Gäste in der offenen Tür standen. »Ich höre ihre Stimmen nicht. Und ich kann sie auch nicht riechen «, knurrte er.
    »Wer ist noch nicht da?«
    »Diejenigen, die wir beobachten wollen. Die aus der neunten Klasse. Sie haben bis Viertel vor eins Unterricht. Dann packen sie ihre Sachen zusammen, gehen noch mal pinkeln und machen sich auf den Weg. Bis sie hier sind, ist es mindestens ein Uhr.«
    »Brody.« Fiona räusperte sich. »Ich will ja nichts sagen, ich meine, ich zweifle natürlich nicht an deinen Motiven, aber …« Sie zögerte. »Aber es ist schon etwas unheimlich, dass du den Stundenplan der Schule hier kennst. Schlimm genug, dass wir hier essen müssen, aber Schüler ausspionieren?«
    »Du missverstehst das. Wir spionieren nicht, wir beobachten.«
    Fiona vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Und du bist meine Tarnung. Zu zweit machen wir uns nicht verdächtig.«
    »Ihr Tisch ist jetzt frei, Herr Professor Quinell«, verkündete Edie, bevor Fiona etwas erwidern konnte.
    Sie saßen da, tranken Tee und warteten. In dem Café war es laut, stickig und heiß. Fiona zögerte die Bestellung so lange wie möglich hinaus, indem sie Brody weismachte, die Bedienung sei so langsam und gehe immer an ihrem Tisch vorbei. Doch sie habe ihr einen Wink gegeben, dass sie gleich käme, fügte Fiona hinzu.
    Brody betastete seine Uhr. Dann stand er auf und schrie: »Könnte uns wohl mal bitte jemand bedienen?« Mit einem Schlag war es totenstill im Café.
    »Setz dich hin, Brody, und mach hier keine Szene.« Fiona zupfte ihn am Ärmel. »Sie sind gerade reingekommen. Dieselben Jungs wie beim letzten Mal.« Edie trat an ihren Tisch. »Zweimal das Tagesgericht«, sagte Fiona resigniert. Sie würde ihres eben einfach stehen lassen.
    Brody beugte sich über den Tisch und ließ den Blick seiner blinden Augen wie einen Radar durch den Raum wandern. Wieder einmal konnte Fiona kaum glauben, dass er wirklich blind war. Er musste einen sechsten Sinn entwickelt haben.
    »Beschreib sie mir. Ich brauche Einzelheiten.«
    Fiona zögerte. Sie war hin und her gerissen – einerseits wollte sie Brody bei seinem verrückten Vorhaben behilflich sein, andererseits erschien es ihr nicht richtig, Jugendliche zu beschatten. Seufzend schob sie den Gedanken von sich, dass sie nur wegen ihrer Gefühle für Brody tat, was er verlangte. »Es sind drei Jungs. Zwei sind dunkelhaarig mit so einer Zottelfrisur, ein bisschen fettig. Einer hat schlimme Akne. Er wirkt hart. Mit so kalten Augen, weißt du, als hätte er im Leben schon zu viel gesehen.« Fiona trank einen Schluck Tee.
    »Weiter.« Brody atmete schnell und stoßweise, die Hände auf dem Tisch verschränkt. Dabei schaute er Fiona direkt an. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass er blind war. Er sah aus wie

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