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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Lächeln zu ihm um und griff in die große Tasche ihrer Nylonweste. »Hier«, sagte sie und holte zwei Taschenbücher hervor. »Bloß zwei englische Romane. Ich dachte, Sie würden vielleicht...«
    Shan nahm die Bücher und neigte zum Dank leicht den Kopf. »Das ist sehr nett von Ihnen. Ich habe schon lange keinen englischen Text mehr gelesen.« Die Bücher hätten in der Tat einen echten Schatz bedeutet. Allerdings würde man sie konfiszieren, sobald man ihn wieder zur 404ten schickte. Er brachte es nicht übers Herz, Miss Fowler davon zu erzählen.
    Er lehnte sich gegen den Wagen und schaute zu den umliegenden Bergen empor. Die schneebedeckten Gipfel glühten in der Sonne des späten Nachmittags. »Die Soldaten sind weg«, stellte er fest.
    Fowler folgte seinem Blick zu den Teichen. »Ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Die Männer wurden zu irgendeinem Notfall abberufen.« »Einem Notfall?«
    »Der Major hatte etwas damit zu tun.«
    Shan ging vorn um den Wagen herum und ließ den Blick über das Gelände schweifen. Jemand saß auf einem der Wälle und starrte auf die Berge. Shan kniff die Augen zusammen und erkannte, daß es sich um Yeshe handelte. Sergeant Feng saß auf der Motorhaube ihres Wagens. Als Shan zu dem Bereich hinter den Gebäuden schaute, erstarrte er in der Bewegung. Hinter dem ersten Haus stand ein vertrautes Fahrzeug. Ein roter Land Rover. Noch ein roter Land Rover. »Wessen Wagen ist das?«
    Fowler blickte auf. »Der rote? Muß wohl der von Direktor Hu sein.«
    Er widerstand dem Impuls, zu dem Auto zu laufen und es zu durchsuchen. Die Mitglieder der Kommission konnten jeden Moment hier draußen auftauchen.
    »Gehören diese Land Rover alle zum Ministerium für Geologie?«
    »Kein Ahnung. Ich glaube, nicht. Ich habe gesehen, daß der Major einen davon fährt.«
    Shan nickte, als habe er mit dieser Antwort gerechnet. »Was wissen Sie über diesen Major?«
    »Ein ziemlich einflußreicher Hurensohn, mehr nicht. Er macht mir angst.«
    »Wieso gehört er der Kommission an?«
    »Weil wir hier so nah an der Grenze sind. Es war eine Bedingung für unsere Satellitenlizenz.«
    Der Mann kam Shan irgendwie bekannt vor. Dann fiel es ihm ein, und sein Magen zog sich zusammen. Jigmes Beschreibung des Mannes, der gekommen war, um Sungpo zu holen. Ein Mann mit einem Einschnitt im Gesicht, einer tiefen Narbe. Sein Name, hatte Jigme gesagt, sei Mah Joa gewesen.
    »Was ist, wenn es nicht Hu war, der Ihre Betriebserlaubnis außer Kraft setzen wollte?«
    »Er hat die Anweisung unterschrieben.«
    »Als Direktor der Minen mußte er das auch, aber er hat vielleicht auf fremde Veranlassung gehandelt. Oder um jemandem einen politischen Gefallen zu tun.«
    »Was meinen Sie damit?« fragte Fowler mit plötzlichem Interesse.
    »Ich weiß nicht, was ich damit meine.« Er schüttelte mutlos den Kopf. »Ich soll eigentlich Antworten finden, aber ich stoße bloß auf immer mehr Fragen.« Er schaute hinaus auf die Teiche.
    Auf den Wällen waren in gemächlichem Tempo Arbeiter mit Schaufeln und Rohrleitungen unterwegs. Yeshe befand sich auf dem Rückweg, und auch Feng kam jetzt zu ihm herüber.
    »Hat jemand... haben Sie eine Zeremonie abgehalten? Für Ihre Arbeiter.«
    Sie sah ihn erschrocken an. »Das hätte ich fast vergessen... es war ja Ihre Idee, nicht wahr?« Die Nervosität war ihr deutlich anzumerken.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß es so schnell gehen würde.«
    Die Amerikanerin sprang vom Wagen und bedeutete ihm, ihr entlang der Gebäude zu folgen.
    »Wer war der Priester, der hergekommen ist?«
    »Er hat seinen Namen nicht genannt«, erwiderte Fowler beinahe flüsternd. »Ich glaube, wir sollten absichtlich nicht erfahren, wie er heißt. Ein alter Priester. Sehr merkwürdig.«
    »Wie alt?«
    »Nicht alt an Jahren. Mittleres Alter. Aber alt an Erfahrung. Irgendwie zeitlos. Spindeldürr. Ein Asket, schätze ich.«
    »Und weshalb kam er Ihnen merkwürdig vor?«
    »Er wirkte wie aus einem anderen Jahrhundert. Seine Augen. Ich weiß nicht. Manchmal schien es, als würde er niemanden sehen. Oder als würde er Dinge sehen, die wir anderen nicht sehen konnten. Und seine Hände.«
    »Seine Hände?«
    »Er hatte keine Daumen.«
    An der Seite des letzten Gebäudes, zum Tal hin, befand sich ein zusammengesetzter Zauberspruch, dessen Größe etwa eine Armeslänge im Quadrat betrug. Er bestand aus komplexen Piktogrammen und Schriftzeichen. Zu beiden Seiten stand je ein Pfosten, an dem Gebetsfahnen hingen.
    Yeshe erschien hinter

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