Der fremde Tibeter
Zugang zu seinem persönlichen Siegel hatte und es dazu benutzt hat, die Karte abzustempeln, die später auf die Museumskiste geklebt wurde.«
»Du willst sagen, daß Miss Lihua lügt?«
»Wir brauchen sie hier vor Ort.«
»Du hast ihre Nachricht gesehen. Sie ist unterwegs.« Als Tan das Fax auf den Tisch legte, bemerkten sie beide, daß Madame Ko aufgeregt an der Tür stand. Sie war zwar nicht hinzugebeten worden, aber offenbar war sie auch nicht gewillt, wieder zu gehen. Sie hob die Faust zu einer kurzen Siegesgeste. Der Oberst seufzte und bedeutete ihr, sie möge eintreten.
»Jao wollte sich also mit diesem Deng in Peking treffen. Weshalb?« fragte Tan.
»Um Erkundigungen über die Wasserrechte in Lhadrung einzuholen«, berichtete Madame Ko. »Jao wollte wissen, wer diese Rechte vor den Amerikanern innehatte.«
»Und was ist nun mit Genosse Deng vom Landwirtschaftsministerium? Hatte er die Antwort?«
»Alle Unterlagen befanden sich noch immer in den Kisten aus Lhasa. Darum war er auch so unglücklich darüber, daß Jao nie eingetroffen ist. Er sagt, er habe Stunden gebraucht, um sich hindurchzuwühlen.«
»Und all das hat er für irgendeinen Fremden aus Tibet gemacht?«
Madame Ko nickte. »Genosse Jao hat gesagt, falls sie das feststellen würden, womit er rechnete, würde er mit Deng sofort in die Zentrale des Justizministeriums gehen wollen. Ein großer Fall, hat er gesagt. Deng würde dem Minister persönlich empfohlen werden.«
Tan rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Vermutlich hat es sich um eines der Landwirtschaftskollektive gehandelt«, sagte er.
»Genau«, bestätigte Madame Ko.
»Sie haben ihn gefragt?«
»Aber sicher. Das ist doch ein Teil unserer Ermittlungen«, sagte sie und bedachte Shan mit einem kleinen verschwörerischen Nicken.
Der Oberst warf Shan einen ungeduldigen Blick zu. »Und?«
»Das Kollektiv der Langen Mauer.«
Tan bat um Tee. »Sie benimmt sich, als hätte sie soeben unseren Fall gelöst«, seufzte er, nachdem Madame Ko ganz aufgeregt aus dem Raum geeilt war.
»Vielleicht hat sie das auch«, sagte Shan.
»Ist dieses Kollektiv der Langen Mauer irgendwie von Bedeutung?«
»Erinnern Sie sich noch an Jin San, eines der Mordopfer?«
»Jao hat einen der Fünf von Lhadrung wegen dieses Mordes angeklagt.«
»Und im Verlauf der Untersuchung herausgefunden, daß Jin San einen Drogenring geleitet hat.«
»Den wir daraufhin ausgeschaltet haben.«
»Vielleicht ist Ihnen entfallen, daß Jin San der Leiter des Landwirtschaftskollektivs der Langen Mauer gewesen ist.«
Der Oberst zündete sich eine Zigarette an und schaute in die Glut. »Ich will, daß Miss Lihua hier auftaucht«, rief er plötzlich in Richtung der offenen Tür. »Schicken Sie ihr ein Militärflugzeug, falls nötig.«
Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und wandte sich an Shan. »Dieser Opiumbetrieb ist erledigt. Nach Jin Sans Tod ist alles auseinandergebrochen. Der Drogenhandel in Lhadrung hat aufgehört. In der Klinik sind schon lange keine Süchtigen mehr aufgetaucht. Ich wurde in dieser Angelegenheit sogar offiziell belobigt.«
Shan breitete die Fotokarten aus, auf denen das fragliche Lizenzgebiet abgebildet war; die gleichen Karten, die auch Jao gesehen hatte. »Können Sie diese Art von Fotos lesen?«
Tan ging zu seinem Schreibtisch und holte eine große Lupe. »Ich habe eine Raketenbasis befehligt«, brummte er.
»Yeshe hat sich die Karten gestern angesehen. Die neue Straße. Die Mine. Das zusätzliche Lizenzgebiet im Nordwesten. Eines hat er nicht verstanden. So hat dieses Gebiet in vier aufeinanderfolgenden Monaten ausgesehen.« Shan wies auf die erste Karte. »Winter. Schnee. Felsen und Schlamm. Vom Rest des Terrains nicht zu unterscheiden.«
Er zog es vor, nichts von Yeshes anderer Entdeckung zu berichten. Auf den Computerdisketten, die Fowler mitgenommen hatte, waren tatsächlich Bestandslisten gespeichert gewesen. Die Hälfte der Dateien in chinesischer Sprache hatte mit den englischen Datensätzen übereingestimmt. Doch die restlichen Dateien waren Auflistungen von Munitionsdepots, Soldaten und sogar Raketenstützpunkten in Tibet. Yeshes Hände hatten gezittert, als er Shan die Disketten übergab. Gemeinsam hatten sie die Datenträger zum Versorgungsgebäude des Lagers Jadefrühling gebracht und dort im Heizkessel verbrannt. Keine Sekunde lang hatte Shan geglaubt, die Daten auf den Disketten könnten echt sein. Doch Yeshe und er wußten beide, daß dies kaum einen Unterschied
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