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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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bedeutete. Die Öffentliche Sicherheit würde sich nur schwerlich mit solchen Spitzfindigkeiten aufhalten, falls man einen Zivilisten mit den Daten erwischte. Als er in die Flammen des Heizkessels starrte, hatte Yeshe ihn um die Erlaubnis gebeten, zur 404ten gehen zu dürfen. Die Zivilisten versammelten sich, hatte er gesagt.
    »Nicht ganz«, stellte Tan fest und nahm die Lupe zu Hilfe. »Da sind Terrassen. Vermutlich sehr alt. Aber man kann noch Spuren davon erkennen. Schwache Schattenlinien.«
    »Genau. Jetzt dieselbe Gegend einen Monat später.« Shan wechselte zur nächsten Karte. »Die Hänge sind jetzt grün, wenn auch nur ein wenig. Immerhin deutlich grüner als der Rest der Berge.«
    »Wasser. Das bedeutet nur, daß sich auf den Terrassen nach wie vor das Wasser sammelt«, sagte Tan.
    »Aber noch einen Monat später. Sehen Sie nur. Die Farbe ist inkonsistent. Ein Hauch von Rosa und Rot.«
    Schweigend beugte Tan sich über die Karte und nahm sie mit der Lupe aus mehreren Winkeln in Augenschein. »Bei der Entwicklung der Bilder gibt es manchmal Anomalien. Die Chemikalien erschaffen falsche Farben. Das gilt sogar für die Lupe. Sie reagiert nicht immer ganz exakt auf das Licht.«
    »Ich glaube, daß die Farben stimmen.« Shan legte die letzte Karte hin. »Vor sechs Wochen.«
    »Und die Farben sind verschwunden«, stellte Tan fest. »Kein Unterschied zu den umliegenden Hängen. Wie ich schon sagte, ein Fehler bei der Entwicklung.«
    »Aber die Terrassen sind ebenfalls verschwunden.«
    Tan blickte verwirrt auf und beugte sich dann mit der Lupe über die Karte.
    »Jemand baut noch immer Jin Sans Mohn an«, lautete Shans Schlußfolgerung.
    Shan haßte Helikopter. Flugzeuge waren ihm schon immer wie ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung der Dinge vorgekommen; Hubschrauber wirkten schlichtweg unmöglich.
    Der junge Armeepilot, der sie aus dem Lager Jadefrühling abholte, tat wenig, um Shans Befürchtungen zu zerstreuen. Er glitt gleichbleibend in sechzig Metern Höhe über dem Boden, was zu einer Art Achterbahn-Effekt führte, als sie über die wogenden Hügel des oberen Tals hinwegschwebten. Auf Tans Befehl hin flog er eine scharfe Kurve und begann einen steilen Aufstieg. Zehn Minuten später hatten sie die Kammlinie überwunden und landeten auf einer kleinen Lichtung.
    Die Terrassen waren alt, aber deutlich zu erkennen. Sie wurden durch Felsmauern gestützt, zwischen denen ein ausgefahrener Karrenpfad verlief. Die Frühjahrsernte war bereits eingebracht worden. Das einzige Zeichen für einen Bewuchs waren vereinzelte Unkrautstreifen, die sich durch einen Teppich aus abgestorbenen Mohnblättern aus den Terrassen erhoben.
    »Die Steine.« Tan wies auf einen flachen Stein, dann auf noch einen und noch einen, die im regelmäßigen Abstand von drei Metern auf den Feldern lagen. Shan schob den nächstbesten beiseite. Darunter befand sich ein Loch von etwa acht Zentimetern Breite und mehr als einem halben Meter Tiefe. Tan trat gegen zwei weitere Steine. Sie alle bedeckten ähnliche Löcher.
    Unter einem weit überhängenden Felsen entdeckte Tan einen Stapel schwerer hölzerner Stangen von knapp zweieinhalb Metern Länge. Er nahm eine davon zum nächsten Loch mit. Sie paßte genau. Im Schatten unter dem Felsen stieß Shan auf ein Seilende. Er zerrte vergeblich daran und rief dann Tan zu Hilfe. Mit vereinten Kräften zogen sie ein riesiges Stoffbündel hervor, das in das Seil gewickelt war. Nein, erkannte Shan sogleich, als Licht auf das Bündel fiel, das war kein Stoff. Es handelte sich um ein riesiges Tarnnetz des Militärs.
    Ein Zuruf von oben durchbrach die Stille.
    »Oberst!« rief der Pilot, der ihnen auf dem Abhang entgegenrannte. »Da kam gerade eine Meldung über Funk. Bei der 404ten wird mit Maschinengewehren geschossen!«
    Tan befahl dem Piloten, über dem Gefängnis zu kreisen. Am Eingangstor standen drei Rettungswagen mit blinkenden Lichtern. Man konnte vier Gruppen von Leuten unterscheiden, die sich jeweils dicht zusammendrängten, wie Puzzleteile, die darauf warteten, aneinandergefügt zu werden. Auf dem Antreteplatz des Lagers saßen in einem engen Viereck die Häftlinge. Shan hielt nach Leichen Ausschau, nach wahllos verstreuten Körpern, die zu den Krankenwagen getragen wurden, doch er fand keine. Außerhalb des Drahtverhaus standen die Gefängniswachen in ihren grünen Uniformen vor dem Speisesaal und bildeten einen Halbkreis in Richtung des Gefangenenlagers.
    Eine straffe graue Linie von Kriechern

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