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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Polizeipräsident, der darauf bestanden hatte, dass er der Sache nachging, kaum noch daran zu erinnern, als er ihn anrief.
    »Crippen?«, schrie er ins Telefon. »Was für ein Crippen? Wovon zum Teufel reden Sie da, Dew?«
    »
Doktor
Crippen«, antwortete er. »Sie haben gesagt, ich soll mich um das Verschwinden seiner Frau kümmern, erinnern Sie sich?«
    »Ich habe Ihnen das gesagt? Wann soll das gewesen sein? Sind Sie verrückt geworden?«
    »Vor ein paar Tagen«, sagte Dew mit einem Seufzen. »Lord Smythson hatte mit Ihnen darüber geredet.«
    »Smythson? O ja, jetzt klingelt es irgendwo«, knurrte der Polizeipräsident. »Und, was ist damit? War er’s oder war er’s nicht?«
    Dew lachte. »Er hat seine Frau genauso wenig ermordet wie ich meine«, sagte er. »Im Gegenteil, er ist ein ausnehmend angenehmer Mann. Hatte ein paar Probleme, aber nichts, was ihn so weit hätte treiben können.«
    »Wo ist die Frau? Schon wieder zu Hause? Hat sie ihren Verstand wiedergefunden?«
    »Das nicht, Commissioner. Wie es aussieht, ist sie mit einem anderen durchgebrannt. Es war ihm peinlich, und so hat er allen erzählt, sie sei gestorben. Das ist nicht unbedingt schlau, aber auch kein Vergehen.«
    Am anderen Ende trat Schweigen ein. Dews Kollege hatte seinen Rang nicht ganz ohne eigene Spürhundqualitäten erreicht. »Das hat er Ihnen gesagt?«, fragte er. »Und Sie haben es ihm geglaubt?«
    »Ja, ich glaube ihm«, antwortete Dew.
    »Warum?«
    »Weil ich etwas Menschenkenntnis besitze, Commissioner. Ich mache diesen Job lange genug, und ich kann Ihnen versichern, dass Dr. Crippen sich keines Verbrechens schuldig gemacht hat. Er weiß, er hat einen dummen Fehler gemacht, und ich habe ihm gehörig den Kopf gewaschen«, log er. »Ich denke nicht, dass er es noch einmal tun würde.«
    »Verstehe«, sagte der Polizeipräsident, ohne ganz überzeugt zu sein. »Nun, dann kontaktieren Sie diese Frau und sagen ihr, dass alles in bester Ordnung ist, okay?«
    »Welche Frau?«
    »Diese Mrs Smythson, die die ganze Geschichte angezettelt hat. Sagen Sie ihr, wir haben die Sache gründlich untersucht, und es gibt keinen Fall, der weiterzuverfolgen wäre. Hoffentlich lässt sie uns dann in Ruhe.«
    »Ja, Sir«, sagte Dew, verärgert darüber, dass ihm das jetzt aufgeladen wurde, wo es doch der Polizeipräsident gewesen war, der ihr zugesagt hatte, der Sache nachzugehen. Er wollte schon vorschlagen, scherzend, aber doch hoffnungsvoll, die Frau dafür zu belangen, dass sie die Zeit der Polizei verschwendet hatte, doch da war die Verbindung bereits tot. Er blätterte durch die schmale Mappe, die er zu Dr. Crippen angelegt hatte, und griff nach dem Hörer, um Mrs Louise Smythson anzurufen.
     
    Der Hilldrop Crescent war weit ruhiger als bei seinem letzten Besuch. Nicht ein einziges Kind war zu sehen, und die Straße vor Hawley Crippens Haus so gut wie menschenleer. Dew blickte auf die ordentlichen Reihenhäuser und fragte sich einen Moment lang, warum ihm sein Leben nicht so ein Zuhause verschafft hatte.
    Er hielt kurz am Fenster von Nummer  39 inne und war überrascht, die Gestalt eines Jungen zu sehen, der die Küche aufräumte. Er kniff die Augen etwas zusammen, aber Genaueres war kaum zu erkennen. Hatte Dr. Crippen einen Sohn, von dem er ihm nichts erzählt hatte?, fragte sich Dew, ging zum Eingang und klopfte.
    Als sich die Tür öffnete, war es ihm etwas peinlich zu sehen, dass der Junge kein Junge, sondern eine schmale junge Frau war. Sie trug eine alte, aufgekrempelte Männerhose, die lose an ihr herunterhing und ihr etwas von einem Straßenkind gab, was Dew seltsam anziehend fand. »Entschuldigen Sie bitte, Ma’am«, sagte er, nahm den Hut ab und wurde angesichts ihrer merkwürdigen Aufmachung ein wenig rot. »Entschuldigen Sie, dass ich störe. Inspector Walter Dew, Scotland Yard. Können Sie mir sagen, ob Dr. Crippen zu Hause ist?«
    »Ich fürchte, nein«, sagte sie. »Er ist heute Abend in seiner Praxis. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
    »Oh«, sagte Dew, »und Sie sind …«
    »Ethel LeNeve«, antwortete sie und lächelte ihn an, worauf ihm die Narbe auf ihrer Lippe auffiel. Sein Polizistenverstand ließ ihn gleich überlegen, woher die wohl stammte. Von einem Unfall als Kind? Einem gewalttätigen Vater? Einem streitsüchtigen Liebhaber?
    »Oh, Miss LeNeve«, sagte er und nickte. »Ja, natürlich, ich habe Ihren Namen schon gehört.«
    Sie legte überrascht den Kopf etwas zur Seite und sah ihn an. »Wirklich«, sagte

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