Der freundliche Mr Crippen | Roman
mitgeteilt hatte. Er überlegte, was er am besten tun sollte, und fragte Ethel abends, was sie davon halte.
»Von Scotland Yard?«, fragte sie und schluckte nervös. »Was wollte er?«
»Offenbar hat Louise Smythson ihm erzählt, sie glaube die Geschichte nicht, dass Cora in Amerika gestorben sei. Ich vermute, es hat damit zu tun, dass Margaret Nash uns im Theater gesehen hat und du Coras Schmuck trugst.«
»Das war ein Fehler«, gab Ethel zu. »Das hätte ich nicht tun dürfen.«
»Nun, es lässt sich nicht rückgängig machen. Auf jeden Fall müssen sich die beiden Frauen besprochen haben und zu dem Schluss gekommen sein, dass mehr hinter der Geschichte steckt, worauf eine von ihnen – Louise, nehme ich an – zu Scotland Yard gelaufen ist und die Sache anzeigt hat.«
Ethel überlegte und bedauerte, dass sie bei der Befragung nicht dabei gewesen war. »Wie wirkte er?«, fragte sie. »Hat er dir geglaubt?«
»Bis zu einem gewissen Punkt. Aber dann wollte er Einzelheiten, wer der Verwandte sei und wo er gewohnt habe. Es wurde viel zu kompliziert, und so habe ich ihm am Ende die Wahrheit erzählt.«
»Du hast
was
getan?«, fragte sie entsetzt.
»Ist schon gut. Er hat es genau verstanden. Ich habe ihm gesagt, dass mich meine Frau wegen eines anderen Mannes verlassen hat, was mir zu peinlich war, um es unseren Freunden zu erzählen, und dass ich deswegen diese lächerliche Geschichte mit dem kranken Verwandten erfunden hätte. Dass es eine Notlüge gewesen sei, um mein Gesicht zu wahren, und ich es bedauern würde.«
»Was hat er dazu gesagt?«, fragte sie. »Das muss ihn doch noch argwöhnischer gemacht haben.«
»Im Gegenteil, ich glaube, dadurch ist eine Art Verbindung zwischen uns entstanden. Bevor ich michs versah, hatte er mich schon zum Essen eingeladen. Wir hatten eine sehr angeregte Unterhaltung. Er scheint mir ein ziemlich einsamer Mensch zu sein. Ich denke, ich war ihm ganz sympathisch.«
»O Hawley, du bist so naiv. Wahrscheinlich versucht er, dich in eine Falle zu locken, damit du ihm irgendwas gestehst.«
»Damit ich ihm etwas gestehe?«, fragte er und hob eine Braue. »Aber was denn? Ich habe nichts Unrechtes getan. Das haben wir beide nicht.«
»Trotzdem machst du dir immer Sorgen, was die Leute wohl von uns denken. Weil wir in Sünde leben.«
»Ja, aber das ist doch kein Verbrechen und sicherlich kaum etwas, was Scotland Yard interessiert. Der Inspector wollte sich nur versichern, dass es nichts Verdächtiges im Zusammenhang mit Coras Verschwinden gibt. Ich glaube wirklich, es war richtig, dass ich ihm gegenüber aufrichtig war. Wenn du dich erst in Lügen verfängst, kannst du dich nie wieder befreien.«
Ethel war da nicht so überzeugt. Es gefiel ihr nicht, wie sich die Dinge entwickelten. Zunächst einmal mussten sie das Haus bald schon verlassen, was sie nachts wach liegen ließ, wenn sie an die grausigen Beweise dachte, die dann womöglich im Keller entdeckt wurden, und jetzt war auch noch ein Inspector von Scotland Yard mit von der Partie. Das alles konnte nur Ärger bedeuten.
»Mach kein so besorgtes Gesicht, Liebste«, sagte er, überrascht darüber, dass er plötzlich derjenige war, der die Welt positiver sah. »Wir haben nichts Unrechtes getan, und ich glaube auch nicht, dass der Inspector das denkt. Im Gegenteil, ich denke, wir haben uns sogar etwas angefreundet.«
»Also wirklich, Hawley«, sagte sie verzweifelt, »das kann nicht dein Ernst sein. Du hast ihn gerade erst kennengelernt.«
»Ich weiß, aber man erkennt eine verwandte Seele, wenn man ihr gegenübersteht.«
»Und du denkst, er ist eine?«
»Vielleicht. Übrigens hast du die Chance, ihn kennenzulernen. Er kommt in ein paar Tagen wieder her.«
»Warum?«
»Er will den Namen und die Adresse des Mannes, mit dem Cora durchgebrannt ist.«
Ethel sah ihn an, als wäre er verrückt geworden. »Hawley«, sagte sie mit einer Stimme, als spräche sie zu einem Kind, »verbessere mich, wenn ich mich täusche, aber du hast weder das eine noch das andere.«
»Ja, ich weiß, aber …«
»Hast du ihm gesagt, du hättest beides?«
»Ja.«
»Warum denn das, um Himmel willen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er und hob die Stimme, während er mehr und mehr durcheinandergeriet. »Es schien mir in dem Moment das Richtige zu sein. Er hat so beiläufig danach gefragt, dass ich gesagt habe, kein Problem, er könne kommen und sich den Namen holen.«
Ethel seufzte. »Und wenn du ihn nicht hast«, sagte sie, »was wird er dann
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