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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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denken?«
    »Dass ich ihn verloren habe.«
    »Nein, Hawley, er wird denken, dass du von Beginn an gelogen hast. Er wird denken, dass Cora weder in Amerika gestorben noch mit einem anderen Mann dorthin durchgebrannt ist. Er wird glauben, dass du ihm nichts als Lügen auftischst und alles stimmt, was ihm diese grässliche Smythson über uns erzählt. Und bevor du dichs versiehst, schnüffelt er in unseren Angelegenheiten herum, bis er uns am Kragen hat.«
    »Am Kragen?«, fragte er. »Wegen was?«
    Sie zögerte. »Mir gefällt das einfach nicht«, sagte sie. »Ich denke mittlerweile so wie du. Was unsere Lebenssituation angeht. Der einzige Grund, warum diese dummen Frauen über uns reden, ist, weil wir im Theater wie ein Paar aufgetreten sind. Das empört die scheinheiligen alten Schlampen.«
    »Ethel!«
    »Aber so ist es, und wenn wir es ihnen erlauben, werden sie uns das Leben noch mehr vermiesen, als es Cora je konnte. Sie mögen sie am Ende ja verachtet haben, aber sie hat zu ihnen gehört, und sie werden alles tun, um unser Glück kaputt zu machen. Und der Inspector wird ihnen berichten müssen, was er hier bei uns herausgefunden hat.«
    »Ethel, ich glaube, jetzt übertreibst du wirklich.«
    Sie griff nach seinem Arm. »Willst du etwas für mich tun, Liebster?«, fragte sie.
    »Alles.«
    »Du musst versuchen, Inspector Dew nicht wiederzusehen. Es ist absolut möglich, dass er sich gar nicht die Mühe macht, zurückzukommen und den Namen zu holen. Besonders, wenn ihr zwei euch so gut verstanden habt, wie du sagst. Vielleicht lässt er die Sache einfach fallen. Wenn er aber tatsächlich kommt, musst du mich mit ihm reden lassen.«
    »Dich?«, fragte er überrascht. »Warum würdest du mit ihm reden wollen?«
    »Weil ich mit solchen Leuten zurechtkomme. Leuten, die sich einmischen. Du lässt mich mit ihm reden und hältst dich selbst aus der Sache heraus.«
    Er sah sie an. Ihre Inbrunst verblüffte ihn, aber sie bewegte ihn auch.
    »Vertrau mir, Hawley, bitte. Ich weiß, was ich tue.«
    »Wenn es dir so viel bedeutet, Liebste …«, sagte er zweifelnd.
    »Das tut es. Mehr, als du denkst.«
    Er zögerte einen Moment lang, zuckte mit den Schultern und nickte.
     
    Einige Abende später hatte er die Möglichkeit, sein Versprechen zu halten, denn als er sich dem Haus am Hilldrop Crescent näherte, sah er Inspector Dew im Wohnzimmer stehen und mit Ethel reden. Sein erster Impuls war, hineinzugehen und seinen neuen Freund zu begrüßen, ihn womöglich zum Essen einzuladen und danach noch auf ein Glas, doch da erinnerte er sich an Ethels Worte und blieb draußen. Es regnete, und er versteckte sich hinter einem Baum und beobachtete die beiden. Dew blieb noch eine Weile und wirkte enttäuscht, als er sich endlich verabschiedete. Kaum dass er um die Ecke gebogen war, überquerte Hawley die Straße und lief vor Kälte zitternd ins Haus.
    »Hast du ihn gesehen?«, fragte Ethel. Hawley nickte. »Er kam mir tatsächlich recht angenehm vor«, gab sie zu, »aber es ist schwer, sicher zu sein. Vielleicht will er uns übertölpeln.«
    »Und wenn es so ist?«, sagte Hawley. »Sagen wir ihm einfach die Wahrheit. Wir haben nichts zu verbergen. Wir müssen hier sowieso bald ausziehen. Nicht mehr lange, und wir verlassen den Hilldrop Crescent. Wir ziehen weg und lassen das Ganze hinter uns.«
    »Ich habe gerade genau das Gleiche gedacht«, sagte Ethel.
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    »Vielleicht könnten wir nach Chiswick ziehen oder nach Kent, oder weiter südlich, wenn du möchtest.«
    Ethel lächelte. »Ich habe an etwas Exotischeres gedacht«, sagte sie.
    »Zum Beispiel?«
    »An Kanada.«
    Hawley sah sie überrascht an. »Kanada?«, fragte er. »Meinst du das ernst?«
    »Absolut.«
    »Aber warum? Warum um alles in der Welt würdest du da hinwollen?«
    »Weil ich mein ganzes Leben in London verbracht habe, Hawley, und ich habe diese Stadt über. Wir
beide
haben hier Böses erlebt, nicht nur du. Jetzt fangen wir gemeinsam ein neues Leben an – warum nicht irgendwo weit weg, wo uns niemand kennt? Und da drüben können wir einfach so tun, als wären wir verheiratet. Vergiss nicht, es gibt keinerlei Garantie, dass du Cora ausfindig machen kannst, und wenn es dir nicht gelingt, kannst du dir die Scheidung aus dem Kopf schlagen.«
    »Das stimmt, aber deswegen gleich bis ans andere Ende der Welt zu fahren …«
    »Es wird ein Abenteuer. Hör zu, ich habe mich erkundigt, wir könnten zuerst nach Antwerpen fahren. Dort gibt es eine ganze Flotte,

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