Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
sehr hasste.
    »Vielleicht sollten wir morgen Vormittag eine Partie Bowls spielen, Victoria«, schlug Edmund vor, der sich mit ihr vertragen wollte und den zornigen Ausdruck auf ihrem Gesicht sah, ohne zu wissen, dass er auf die unerwünschten Aufmerksamkeiten Tom DuMarqués zurückzuführen war.
    »Werden Sie denn zur Geburt wieder zu Hause sein?«
    »Was für eine reizende Idee. Das wird Victoria gefallen, nicht wahr, Liebes?«
    »Nein«, sagte Mr Robinson. »Ich war viele Jahre in London, wobei ich ursprünglich aus Amerika stamme.« Edmund warf ihm einen Blick zu und war sich offenbar nicht sicher, wie offen sie diesen Leuten gegenüber sein sollten.
    »O ja. Das möchte ich um alles in der Welt nicht verpassen.«
    »Vielleicht«, sagte Victoria, die sich nicht festlegen wollte. Bedauerst du das jetzt?, fragte sie sich.
    »Aus welchem Teil Amerikas?«
    »Wird es später noch Tanz geben, Kapitän? Wenn ja, würde ich mich freuen, wenn Sie mich begleiten würden.«
    Der Kapitän klopfte mit dem Messer gegen sein Glas, und der helle Klang brachte alle zum Schweigen.
    »Ladys und Gentlemen«, sagte er. »Willkommen auf der
Montrose.
Und Ihnen allen eine sichere Reise.«
    »Eine sichere Reise«, wiederholten alle und erhoben die Gläser.
    »Als ich in Paris gewohnt habe«, sagte Tom DuMarqué und brach damit das plötzliche Schweigen, das auf den Trinkspruch gefolgt war, »meinten die Leute, aus mir würde nichts werden, weil ich ständig Schwierigkeiten wegen Diebstählen und Einbrüchen hatte. Aber wenn ich nach Amerika komme«, fuhr er fort und sah dabei Edmund an, den er bereits als seinen natürlichen Feind identifiziert hatte, »gehe ich nach Hollywood und werde ein Filmstar.«
    »Grundgütiger!«, rief Mrs Drake, die nicht sicher war, welcher Teil seiner Aussage sie mehr schockierte, seine kriminelle Vergangenheit oder die angestrebte Karriere. Victoria schnaubte nur, schon der Gedanke schien ihr lächerlich.
    »Ein was?«, fragte Mr Robinson und sah den Jungen an.
    »Ein Filmstar«, wiederholte Tom. »Das ist die große Sache im Moment, wissen Sie. In Hollywood bauen sie Studios, und jeder kann hin und in ihren Filmen auftreten. Sie müssen doch schon einige gesehen haben.«
    »Vielleicht ein oder zwei«, sagte Mr Robinson und versuchte, sich zu erinnern. »Ich war schon mal im Nickelodeon. Aber davon kann man doch sicher nicht leben?«
    »Mehr als das«, sagte Tom voller Überzeugung. »Es heißt, wer da von Anfang an mitmacht, kann bis zu seinem Tod eine Million Dollar verdienen.«
    »Was für ein Unsinn«, sagte Victoria.
    »Das kommt nicht an«, sagte Billy Carter. »Mit den Music Halls können die niemals konkurrieren. Die sind das Tollste überhaupt. Da habe ich auch meine Frau kennengelernt. Sie war eine Revuetänzerin.«
    »Eine Revuetänzerin«, sagte Mrs Drake. »Wie schockierend!«
    »Die Frauen dort«, sagte Mr Robinson mit ruhiger Stimme, »bedeuten nichts als Ärger. Sie produzieren sich wie billige Huren und hoffen, einen armen Kerl in die Falle zu locken, und wenn sie ihn haben, bluten sie ihn aus. Wenn es nach mir ginge, würde jede einzelne Music Hall im Land geschlossen.«
    Schweigen senkte sich über den Tisch. Mr Robinson hatte einen unangemessenen Ton angeschlagen, und Mrs Drake sah, wie seine Fingerknöchel ganz weiß wurden, so fest hielt er Messer und Gabel gepackt.
    »Nun, nicht meine Delilah«, sagte Billy Carter endlich, um die Spannung zu durchbrechen. »Sie ist die große Ausnahme.«
    Kapitän Kendall schob seinen Teller zur Seite und gab dem Steward das Zeichen, den Tisch abzuräumen, obwohl noch nicht alle mit dem Essen fertig waren. Er zog seine Taschenuhr heraus, öffnete sie und rief laut: »Oje, wie spät es schon ist!«
    »Herr Kapitän, Sie wollen uns doch sicher nicht bereits verlassen?«, fragte Mrs Drake enttäuscht.
    »Die Pflicht ruft, meine Gute«, sagte er und gab sich etwas unterwürfig, jetzt, da er sich verabschiedete. »Die Pflicht ruft. Aber Mr Carter, Sie werden sich auch weiter um unsere Gäste kümmern, nehme ich an?«
    »Natürlich, Sir.«
    »Gut. Ich bin an Deck, falls man mich braucht.«
     
    Ein schmaler Balkon umgab die Kommandobrücke, und es war dem Kapitän zur Gewohnheit geworden, dort abends noch eine Zigarre zu rauchen, bevor er sich zurückzog. Er stand an einer finsteren Stelle, wo er nicht zu sehen war, nur die helle rote Glut seiner Zigarre leuchtete im Dunkel. Es war friedlich dort oben, und er hörte nichts als die gedämpfte Musik

Weitere Kostenlose Bücher