Der Frevel des Clodius
Teilnehmer einen niedergeschlagenen Eindruck machte, erhob sich jemand und deklamierte: »Aber Caesars Frau muß über jeden Verdacht erhaben sein«, und alle brachen in heulendes Gelächter aus wie tollwütige Hyänen.
Ich stieg die Stufen der Curia hinab und wischte mir mit einem Zipfel meiner Toga die Tränen aus den Augen. Bessere Unterhaltung konnte man nicht verlangen. Hermes kam auf mich zugerannt, und ich mußte ihm natürlich alles erzählen. Das Geschnatter der Menschenmenge auf dem Forum wurde ohrenbetäubend.
Gemeinsam hatten Clodius und Caesar uns das denkwürdigste Ereignis des Jahres vorgesetzt.
Ich ging zu den Bädern und wurde sofort von Männern umringt, die nicht dabeigewesen waren und wissen wollten, was geschehen war. Ich ließ mich eine Weile darüber aus, nicht ohne die sofortige Verhaftung Publius Clodius' und kurzen Prozeß zu fordern. Es war alles so nett, daß ich mich daran erinnern mußte, daß ich selbst in mörderische Affären verwickelt war.
»Ich hoffe, es gibt einen Prozeß«, sagte ein Senatskollege.
»Ich habe mich schon seit Jahren gefragt, was meine Frau bei diesem Ritual eigentlich treibt.« Wie sich herausstellte, gab er damit die Meinung zahlreicher hochgestellter Ehemänner wieder. Andere waren von größerer Furcht vor göttlichem Zorn geplagt.
»Diese Clodia muß ihre Finger im Spiel haben«, meinte ein prominenter Bankier. »Sie ist seine Schwester, und es ist bekannt, daß diese Frau zu jeder Schandtat bereit ist.« Der Gedanke war auch mir schon gekommen.
Von den Bädern ging ich zum städtischen Ludus, wo ich Asklepiodes alles noch einmal erzählen mußte. Er wußte nicht viel über Caesar, so daß ihm die Komik der Situation entging.
Außerdem liebte er wie alle Griechen Geheimkulte und war leicht schockiert über Clodius' Frevel.
»Offenbar fehlt es euch Italikern an geeignetem Personal für die Bestrafung solcher Missetäter«, sagte er in seiner überlegenen Manier. »Die Götter hätten ihm die Furien auf den Hals gehetzt.«
Ich stellte mir vor, wie diese beflügelten, schlangenhaarigen Wesen Clodius durch die Gassen Roms jagten, mit bluttriefenden Augen und ausgefahrenen Krallen, um sie in sein Fleisch zu graben.
»Es ist wirklich schade«, gab ich zu. »Wir Römer personalisieren unsere Götter nicht in dem Maße wie ihr Griechen, stellen ihnen keine Günstlinge und Diener zur Seite.
Von einigen unserer Götter gibt es nicht einmal Abbildungen.«
»Also wenn du mich fragst, ist das eine recht erbärmliche religiöse Praxis«, behauptete Asklepiodes. »Und wie ihr eure Priester auswählt und ernennt! Als ob es ganz gewöhnliche Beamte wären. Am unwürdigsten aber ist die Methode, mit der ihr eure Auguren beruft und ihnen ein Regelbuch in die Hand gebt, um die Omen zu deuten. Wo bleibt die Kunst der Prophetie ohne göttliche Inspiration?«
»Das liegt daran, daß wir ein rationales und würdevolles Volk sind und unsere öffentlichen Angelegenheiten nicht nach den Phantastereien eines geistesgestörten Ekstatikers regeln. Ich gebe zu, daß wir in Krisenzeiten eine Sibylle konsultieren, aber ich habe noch nie davon gehört, daß das wirklich etwas genutzt hätte.«
»Weil euch Römern das wahre Verständnis der göttlichen Natur abgeht«, sagte er entschieden.
»Ich habe noch nicht gehört, daß sie den Griechen irgendwie genutzt hätte. Selbst wenn sich die Prophezeiungen als richtig erwiesen haben, hat der Bittsteller sie meist fehlinterpretiert, und es kam trotzdem zur Katastrophe.«
Asklepiodes musterte mich von oben herab, eine bemerkenswerte Leistung in Anbetracht der Tatsache, daß er kleiner war als ich. »Immer sind es die kleinen ironischen Geschichten, die zur Legende werden. Wenn man sie im richtigen Geiste anruft, sind sibyllinische Orakel ziemlich verläßlich.«
»Wenn du es sagst«, meinte ich.
»Nun zu weniger exaltierten Fragen. Ich fürchte, ich muß dir ein Schwein in Rechnung stellen. Ein kleines, das ursprünglich als Abendessen für die Gladiatoren gedacht war.«
Mein Mut sank. »Dann war es wirklich Gift?«
»Gesunde Schweine fallen selten aus natürlichen Gründen oder ob des Zorns der Götter tot um. Ich habe es mit dem Gebäck gefüttert, und binnen einer Stunde war es tot.«
»Eine Stunde? So lang? Dann muß es ein ziemlich schwaches Gift gewesen sein.«
»Nicht notwendigerweise. Die sofort wirkenden Gifte, von denen man dauernd hört, sind reine Fiktion. Ich bin noch nie auf eines gestoßen, das einen ausgewachs
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