Der Friedhofswächter
bückte sich tiefer, sein Fehler, denn auch der Werwolf kam wieder hoch.
Zuerst raste der Range Rover in das Gebüsch. Das konnte er noch durchbrechen, aber er fuhr weiter, geriet auf weichen Boden, die Räder drehten durch, er wurde geschoben, und plötzlich wuchs der Baumstamm wie aus dem Nichts vor ihm in die Höhe. Jetzt war niemand mehr da, der das Lenkrad herumriß. Zwar war das Fahrzeug mit einem Schutz versehen worden, aber der alte Stamm war härter. Plötzlich schob sich die Kühlerschnauze zusammen, als bestünde sie aus Pappe.
Ed, fast noch kniend, prallte mit dem Schädel gegen das Lenkrad, der Rückstoß wuchtete ihn wieder nach hinten, wo ihn der Sitz abfing, dann preßte ihn eine Kraft in die Höhe bis zur Innenverkleidung des Wagendachs. Sein Schädel schien zerspringen zu wollen. Ed hörte sich schreien, der Wagen wurde mit dem Heck in die Höhe geschleudert, kippte wieder zurück, durchdrehende Reifen wühlten den weichen Boden auf, schleuderten Gras und Lehm in die Höhe, dann krachte das Fahrzeug zurück, wobei es sich schüttelte, als hätte eine Riesenfaust nach ihm gegriffen. Davon merkte Ed kaum etwas. Er lag eingeklemmt vor der Sitzbank, war halb bewußtlos, spürte die Schmerzen an seinem gesamten Körper, aber er konnte nicht mehr denken und handeln. Etwas hatte ihn regelrecht zerstört. Dem Werwolf war es ähnlich ergangen. Nur überstand er solche Dinge wesentlich besser.
Er war ebenfalls von einer Seite zur anderen gewuchtet worden, überrollte sich, spürte die Stöße, wurde wieder zurückgeschleudert, hämmerte gegen die Tür, die sich wieder geöffnet hatte und rollte aus dem Wagen.
Bäuchlings blieb er liegen. Er preßte seine Schnauze gegen das taufeuchte Gras, spürte das Zittern und wußte, daß ihm sein zweites Opfer auch nicht entgehen würde.
Er kam hoch.
Wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt, schüttelte er sich, und das Fell sträubte sich dabei. Diabolisch funkelte sein Blick, als er um das herumschritt, was einmal ein Range Rover gewesen war. Der Baum und das Wrack klebten aneinander. Der Wagen konnte weggeworfen werden. Niemand würde ihn je fahren können. Das hatte die Bestie auch nicht vor.
Sie wollte den zweiten.
Die Fahrertür stand nicht offen. Sie hatte sich bei dem Aufprall gegen den Baum verklemmt. Die Bestie riß mit den Pranken daran, drosch sie auch gegen das Metall, und die dumpf klingenden Schläge hallten wie unheimliche Glockenklänge durch die Nacht.
Sie wurden nur von Ed gehört.
Er wunderte sich selbst darüber, daß er noch in der Lage war, diese Schläge zu identifizieren. Auch sein Gehirn arbeitete wieder. Es sagte ihm, daß die Bestie in das Führerhaus wollte. Wenn sie es an der Fahrerseite nicht schaffte, würde sie es an der anderen versuchen. Er mußte vorher raus.
Ed kroch über die Sitzbank. Eine kurze Entfernung, die ihm verdammt lang vorkam, möglicherweise das letzte Stück auf seinem Lebensweg. Mit der linken Hand stützte er sich ab, den rechten Armm hielt er ausgestreckt, um nach dem Innengriff an der Tür zu fassen. Der Werwolf war schneller. Ed sah die Bestie nicht, aber von außen her riß sie plötzlich die Tür auf. Plötzlich verschwand sie vor seinen Augen, ein Loch entstand, das die Bestie ausfüllte.
Sie griff zu.
Ed sah schattenhaft die beiden Pranken, die sich in seine Schultern schlugen. Diesem plötzlichen Ausbruch an Gewalt hatte er nichts entgegenzusetzen. Die Bestie riß ihn zu sich heran, seine Knie schleiften noch über den Sitz, die Reibung erzeugte Wärme auf dem Kunstleder, dann kippte er nach vorn.
Mit dem Gesicht zuerst schlug er auf. Gras und Dreck drangen in seinen Mund, knirschten zwischen den Zähnen, doch die Bestie gönnte ihm keine Pause. Sie riß ihr Opfer wieder hoch und wuchtete es nach rechts, so daß Ed in Höhe des linken Vorderrads mit dem Rücken gegen die demolierte Kühlerschnauze prallte.
Noch einmal holte er Luft.
Dann war der Schatten über ihm. Ed hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Er bekam zum Glück nicht mehr mit, was mit ihm geschah, denn die Schleier des Todes hatten sein Leben bereits ausgelöscht. Neben dem Vorderrad blieb er liegen, und der Werwolf starrte auf ihn herab.
Mit einer unwillig anmutenden Bewegung wischte er über seine Schnauze, die feucht und klebrig geworden war. Dann wandte er sich ab. Fast gemächlich ging er den Weg zurück.
Seine Heimat war der Friedhof. Dort sollte ihn niemand stören. Schließlich war er der Hüter, und er allein bestimmte,
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