Der Friedhofswächter
sonst, sondern so, als hätte sie an einer schweren Last zu tragen. Auch den Kopf mit der langen Wolfsschnauze hielt sie nicht mehr so stolz erhoben wie sonst, er pendelte auf und nieder, als hätte die Kraft den Körper der Wölfin verlassen. Da stimmte etwas nicht.
Ich hielt es nicht mehr auf meinem Platz aus, schraubte mich hoch und ging ihr entgegen.
Im Kerzenlicht trafen wir zusammen, und hier stoppte Nadine auch. Ich kniete mich nieder. Meine Hände fuhren in das dichte Fell am Hals, so daß ich ihren Kopf anheben und ihr in die Augen schauen konnte. Der Schreck traf mich bis ins Mark.
Der menschliche Ausdruck war aus ihren Augen verschwunden. Sie wirkten jetzt leer und tot wie zwei schwarze Löcher…
***
Vor den beiden Dieben stand eine Gestalt, wie sie eigentlich nur in Romanen oder Filmen vorkam. Ein häßliches, gefährliches Wesen, behaart von den prankenhaften Füßen bis hin zum Schädel. Mit gelblich funkelnden Augen, einem offenstehenden Maul, gefährlichen Reißzähnen und regelrechten Killerpranken.
Das Fell war dunkel, besaß gleichzeitig einen Stich ins Bräunliche, als würden dünne Mondlicht-Streifen über die Gestalt fallen und sie genau nachzeichnen.
»Ein… ein Werwolf!« ächzte Ed. »O verdammt, ich werde verrückt.« Er schüttelte sich und holte trotz seiner Angst den Revolver hervor, mit dem er in dieser Nacht schon einen Menschen erschossen hatte.
Bevor er auf die Gestalt anlegen konnte, zuckte sie nach rechts und verschwand hinter einer stehenden Grabplatte. Die Mündung der Waffe stieß ins Leere.
Ed lachte. Es klang nicht sehr freundlich, eher schon irre. »Sag mal, Tidy, spinnen wir?«
Der andere Dieb konnte nicht reden. Er klapperte mit den Zähnen. Eine Auswirkung des Schocks. »Ich weiß nicht, ob wir spinnen. Ich jedenfalls habe eine Gestalt gesehen.«
»Und ich auch.« Ed drehte den Kopf nach links. Dort war der Unheimliche verschwunden. »Und es war ein Werwolf!« hauchte er.
»Verdammt, was sucht der hier?« Tidy lief auf Ed zu und schüttelte ihn durch. »Das geht uns einen Scheiß an. Wir sollten zusehen, daß wir hier wegkommen. Wir müssen verschwinden. Das war eine Warnung. Wenn der uns erwischt, zerfetzt er uns mit seinen Pranken.«
»Meinst du?«
»Klar, Mann. Ein Werwolf macht so etwas.«
Ed schaute zu Boden und schüttelte den Kopf. »Es geht doch nicht«, sagte er.
»Was geht nicht?« Tidy hatte sich schon einige Schritte entfernt, stand aber nie ruhig und drehte sich einige Male auf der Stelle.
»Ich kann ihn nicht killen!« Ed stieß den Waffenarm vor. »Verdammt, ich kann es nicht.«
Tidys Augen nahmen einen ungewöhnlichen Glanz an, als er wieder näher kam. »Wieso? Du brauchst nur abzudrücken.«
»Klar, mehr nicht. Nur habe ich die falschen Kugeln geladen. Verstehst du das? Die falschen Kugeln!«
»Nein. Bist du irre?«
»Hör zu, Tidy.« Ed packte ihn und schüttelte ihn an der Schulter.
»Werwölfe kann man vernichten, aber dazu braucht man andere Dinge. Silberkugeln!« zischelte er. »Und geweiht müssen sie sein. Verstehst du jetzt? In meiner Kanone stecken nur normale Bleigeschosse und keine aus Silber. Dem Werwolf kann ich das Magazin in den Leib jagen, und es wird sich nichts tun. Vielleicht schleudern ihn die Einschläge zu Boden, aber er wird immer wieder aufstehen und sich auf uns stürzen. Tidy, wir sind praktisch waffenlos.«
Tidy war ganz steif. Als Ed ihn losließ, wäre er fast gefallen. »Okay, okay, ich verstehe dich. Wir sind also wehrlos, aber wir haben noch unsere Beine. Klar? Wir verschwinden!«
»Er wird uns finden!«
»Willst du bleiben?«
»Nein, aber mach dich darauf gefaßt, daß er uns folgt. Und wir werden ihn ebensowenig hören, wie wir ihn vorhin gehört haben. Der ist wie eine Katze, nur eben eine mörderische und tödliche.«
Tidy ballte die rechte Hand. »Wenn du mir angst machen willst, schlage ich dir einen in die Schnauze.«
Edverzog den Mund. »Ich hatte dich nur gewarnt. Ich wollte dir sagen, daß das Böse überall lauert. Sogar in unserem Körper. Vor einer Stunde habeich zum erstenmal gekillt. Das war auch das Böse, das plötzlich hochkam. Ich sah den Rücken, ich mußte schießen. Verdammt, ich mußte den Zeigefinger krümmen. Im ersten Moment war es wie eine Erlösung. Jetzt könnte ich kot…«
Das Heulen unterbrach ihn. Es war ein relativ leiser, sirenenartiger Ton, der über den kleinen Friedhof schwang und allmählich verwehte.
»Er ist noch da!« sagte Ed.
Tidy schüttelte den
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