Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
könnte er so etwas nicht schreiben.« Er entrollte das Blatt Papier und las laut vor:
Im Bauch des Gehirnlosen
Made in Thailand.
Bewacht von viertausend Augen.
»Also, besonders vernünftig klingt das für mich aber nicht«, sagte Dtui.
»Es ist ein Rätsel, Schwester«, rief Siri ihr ins Gedächtnis. »Es soll verwirren.«
»Das ist ihm hervorragend gelungen«, befand sie.
»Made in Thailand. Made in Thailand.« Phosy schien zu hoffen, dass es ihm der Lösung näherbrachte, wenn er die drei Worte nur oft genug wiederholte. »Meinen Sie, es ist was Schweinisches?«
»Ich glaube, die schweinischen Möglichkeiten haben Madame Daeng und ich bereits vollzählig durchdekliniert«, sagte Siri und errötete leicht.
»Sind … sind viertausend m… mehr als eine M… Million?«, fragte Geung.
»Nein, mein Freund«, antwortete Dtui. »Nicht ganz. Trotzdem sind es verdammt viele Augen.«
»Wir dachten, bei dem ›Gehirnlosen‹ könnte es sich um das Haus der Nationalversammlung handeln«, gestand Siri. »Nur unter welchem Sitz sollten wir da nachsehen?«
»Vielleicht das Nationalstadion?«, gab Phosy zu bedenken.
»Ich bitte dich.« Dtui lachte. »Wann haben sich da das letzte Mal mehr als fünfzig Zuschauer versammelt?«
»Stimmt.«
»Weil wenn … wenn … wenn es eine Million sind …« Geung ließ nicht locker.
»Es könnte die Stelle sein, wo der Geheimdienst des thailändischen Militärs sein Teleskop aufbaut, um uns zu bespitzeln«, schlug Dtui vor.
»Ich glaube kaum, dass der Verrückte Rajid so weit schwimmen kann«, widersprach Siri lächelnd.
»… d… d… d… dann gibt es mindestens eine M… Million Augen im Wat Si Saket.«
»Dann gibt es … Wie war das, Geung?«, fragte Dtui.
»Wat Si Saket«, wiederholte Geung.
»Die kleinen Buddhas.« Phosy nickte. »Die sind allerdings ziemlich zahlreich.«
»Möglich wär’s«, bestätigte Dtui.
»Und was soll dann dieses ominöse ›Made in Thailand‹?«, fragte Phosy.
Siri schnippte so laut mit dem Finger, dass die anderen schon befürchteten, er habe ihn sich gebrochen.
»Natürlich«, rief er und hinterließ einen neuerlichen Handabdruck auf seiner Stirn. »Ich Hornochse! Das haben sie uns im Tempel in Savannaketh doch alles beigebracht. Warum kann ich mich noch genau an den Wortlaut französischer Radioreklame für Schokoladenkekse erinnern, aber nicht an die Geschichte meines eigenen Landes?«
»Wahrscheinlich, weil …«, hob Dtui an.
»Das war eine rhetorische Frage, Dtui.«
»’tschuldigung.«
»Wat Si Saket«, begann Siri, »ist der älteste noch erhaltene Tempel in Vientiane, und das wahrscheinlich nur, weil die Thais, als sie achtzehnhundertsoundsoviel hier einfielen und mordend, plündernd und vergewaltigend durch die Straßen zogen, ihn verschonten, da er sie an zu Hause erinnerte. Der Tempel wurde von König Chao Anou gestiftet. Er war in Bangkok aufgewachsen und vermutlich mehr Thai als Laote. Die Thais hatten ihn hier als Marionettenkönig eingesetzt, und er hat den alten Si Saket im Thai-Stil erbauen lassen. Made in Thailand. Voilà.«
Er trat vor Geung hin und drückte ihm einen dicken Schmatz auf die Stirn. Geung wischte den Kuss energisch weg, strahlte vor Freude jedoch übers ganze Gesicht.
»Vielleicht sollten wir mit unseren Rätseln immer erst einmal zu Ihnen kommen«, sagte Phosy, und in seiner Stimme schwang bestenfalls ein Anflug von Sarkasmus mit.
»Und was fällt Ihnen zu der jungen Dame im Gefrierfach ein, Inspektor Geung?«, erkundigte sich Dtui.
»S… sie ist sehr schön«, befand Geung.
»Aber wer ist der Gehirnlose?«, fragte Phosy. Er schulterte seine Tasche für den Weg zum Flughafen.
»Damit könnten wir gemeint sein«, gestand Siri. »Ich glaube, ich werde Madame Daeng heute Abend zu einer kleinen Kultursoirée mit in den Tempel nehmen.«
»Und ich bin heute Strohwitwe, also komme ich mit«, sagte Dtui.
»Ich auch, ich bin nämlich auch W… Witwe«, sagte Geung.
»Abgemacht.« Siri lachte. »Es sieht ganz so aus, als könnte der Si-Saket-Tempel seine jährliche Besucherzahl an nur einem Abend verdoppeln.«
Siris Bemerkung war nur halb im Scherz gemeint. Die Einwohner Vientianes scheuten den Besuch des Tempels und beteten lieber hinter verschlossenen Türen. Die allgegenwärtigen Spruchbänder und Lautsprecherdurchsagen, die den Fluch der Religion beschworen, hatten ihrem Glauben zwar keinen Abbruch tun können, trotzdem gingen sie mit ihrer Weltanschauung lieber nicht hausieren. Die
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