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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Käfige, die seinerzeit eine Vielzahl wilder Tiere beherbergt hatten. Nun dienten sie als Voliere. Im ersten Käfig hauste ein Kranich, im nächsten ein zerzauster Nashornvogel, im dritten zwei dubiose Viecher, die aussahen wie stark geschminkte Hühner, und im letzten ein Pfauenmännchen, das kaum Platz hatte, mit seinem prächtigen Schweif zu prahlen und ein Rad zu schlagen.
    »In welchem saß der Bär?«, fragte Daeng.
    »In dem da.«
    Siri zeigte auf den traurigen Nashornvogel.
    »Er sieht nicht besonders glücklich aus«, befand Daeng. »Warum lassen sie die armen Tiere denn nicht einfach frei herumlaufen?«
    »Das ist das Problem mit Vögeln. Sie haben die gar garstige Angewohnheit zu fliegen.«
    »Er ist wunderschön. Ich bezweifle, dass es in freier Wildbahn noch allzu viele davon gibt.«
    »Kein Wunder. Das Vieh hat so viel Fleisch an den Knochen, dass man damit ohne Weiteres drei Mäuler stopfen könnte. Es ist zu seinem eigenen Schutz hier eingesperrt.«
    Siri hatte einen Großteil seines Lebens im Dschungel verbracht und dabei so ziemlich jede vom Aussterben bedrohte Vogelart verspeist. Damals hatte kein Hahn danach gekräht, ob eine Geflügelsippe ausgerottet wurde oder nicht: Da hieß es »Wir oder sie«. Wäre Siri im Busch einem Nashornvogel mit Machete begegnet, der ihn in Stücke zu hacken drohte, hätte sich der Doktor bereitwillig in sein Los ergeben: Dort galt das Recht des Stärkeren, Punkt. Wen Gott aber mit buntem Gefieder und reichlich wohlschmeckendem Fleisch auf den Rippen ausgestattet hatte, der endete ganz zu Recht als Sonntagsbraten. Davon war Siri fest überzeugt.
    Daeng sah das offenbar ein wenig anders. Siri wusste sofort, was seine schamlose Braut im Schilde führte. Die Käfige waren mit schweren Vorhängeschlössern gesichert, doch davon ließ seine Frau sich nicht beirren.
    »Können wir das letzte Rätsel lösen, bevor du ihn freilässt?«, flehte er.
    »Was war das noch gleich für eine Sonne?«
    »Die Mitternachtssonne.«
    Gemeinsam betrachteten sie die einsame Glühbirne, die über den Käfigen baumelte. Hier und da hingen weitere Birnen von dem verschlungenen Kabel, eine am Pool, eine zweite bei den Mülltonnen. Die Verlängerung, die zu den Käfigen führte, war an einen Baum genagelt.
    »Unsere Nachtsonne hängt in dem Baum da oben, Siri.«
    »Das sehe ich auch.«
    »Du erwartest doch wohl nicht im Ernst, dass ich in meinem Zustand dort hinaufklettere?«
    Siri hatte in seinem Leben unzählige Bäume erklommen, doch seit seinem siebzigsten Geburtstag übte er sich in dieser Hinsicht bewusst in Abstinenz. Er hob die Faust.
    »Ohne mich!«, sagte Daeng, obwohl sie wusste, dass es keine andere Lösung gab. Also hob auch sie die Faust und blickte ihm fest in die Augen. Ihre Version von Schere, Stein, Papier hieß Elefant (Faust), Maus (die flache Hand), Ameise (der kleine Finger). Der Elefant zertrat die Maus, die Maus zerquetschte die Ameise, und die Ameise kroch den Rüssel des Elefanten hinauf und lähmte sein Gehirn.
    Sie bewegten die Faust zweimal auf und ab und eröffneten die erste Runde: Siri-Elefant, Daeng-Maus. Beim zweiten Mal lautete das Ergebnis Daeng-Ameise, Siri-Elefant. Gleichstand. Alles hing vom dritten und letzten Versuch ab. Sie funkelten sich an und holten zum entscheidenden Schlag aus.
    Siri-Maus … Daeng-Ameise.
    »Scheiße«, sagte Daeng.
    Zum Glück trug sie Fischerhosen und keinen Rock. So brauchte sie sich nicht auszuziehen. Sie ging einmal um den Baum herum und nahm den Ast ihrer Wahl prüfend ins Visier. Dann, fast zu schnell fürs bloße Auge, hatte sie sich auch schon zu der schaukelnden Glühbirne emporgeschwungen.
    »Flink wie ein Affe«, rief Siri anerkennend.
    Sie hangelte sich den Ast entlang. »Ich sehe hier weit und breit keine Nachricht«, sagte sie. »Womöglich haben wir uns mal wieder selbst ein Bein gestellt.«
    »Kommst du näher an die Glühbirne heran? Sie werden regelmäßig ausgetauscht, also wirf einen Blick auf die Fassung.«
    Daeng baumelte wie ein Faultier in den Zweigen. Sie streckte den Arm aus, und tatsächlich – um die Fassung gewickelt und mit einem Gummiband daran befestigt war ein Stück Papier: der letzte Hinweis. Eine Karte.
    »Sind wir nicht das ideale Gespann?«, fragte sie.
    Einer Sechsundsechzigjährigen, die kopfüber in einem Baum hängt, lässt sich nur schwer widersprechen.
    »Das kann man wohl sagen«, antwortete er.

7

    DIE UNSICHTBARE REISBÄUERIN
    Phan hatte den Brief bereits geschrieben. Seine

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