Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Tatwaffe gedient hatte, wurde zwar in zwei oder drei Läden in Vientiane verkauft, doch die Besitzer konnten sich nicht entsinnen, es an verdächtige Personen abgegeben zu haben. Der Stößel stammte aus thailändischer Herstellung und war ziemlich teuer. Nur ein auf exotische Importware spezialisiertes Geschäft hatte das Modell im Angebot. Der Würger musste also vor Einführung der Reisebeschränkungen nach Thailand gefahren sein, um sich damit einzudecken.
Inspektor Phosys Befragung des Lastwagenfahrers hatte sich als fruchtlos erwiesen. Der Mann behauptete, die Geschichte von der verhüllten Reisbäuerin und der unsichtbaren Frau sei frei erfunden. Das Ganze sei entweder auf seinem Mist gewachsen, oder er habe es von einem anderen Fahrer gehört. Wer das gewesen sein könnte, wisse er allerdings leider nicht mehr, denn wenn er tatsächlich auf diesem Weg zu der Geschichte gekommen sei, müsse er seinerzeit volltrunken gewesen sein. Phosy hatte dem Mann seine Telefonnummer im Polizeihauptquartier gegeben und ihm eine halbe Flasche Thai-Rum versprochen, falls es ihm gelänge, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Noch am selben Tag wurde Phosy zugunsten wichtiger Staatsgäste aus Nordkorea sowie diverser Parteifunktionäre von der Passagierliste des Fluges nach Luang Nam Tha gestrichen. Weiter reichten seine Beziehungen nicht. Am Mittwoch fiel der Flug aus, weil wegen der Verbrennung von Ernterückständen schlechte Sicht herrschte. Heute war Donnerstag, und er vertrieb sich in der Pathologie die Zeit, bis er zum Flughafen Wattay hinausfahren und einen dritten Versuch unternehen konnte. Sie waren im Schneideraum – Siri, Dtui und Herr Geung. Phosy stand an die Tür der Kühlkammer gelehnt.
»V… V… Vorsicht, Genosse Ph… Phosy«, sagte Geung. »Sonst f… f… frieren Sie sich noch die Eier ab.« Geun g brüllte vor Lachen, und die anderen kicherten höflich. Da Vientiane offenbar dringend der Aufheiterung bedurfte, war die ganze Stadt im Eierwitzfieber. Seit sich herumgesprochen hatte, dass der Premierminister höchstpersönlich in der Li mousine gesessen hatte, die mit dem Eitransporter kollidiert war, schien man sich im ganzen Land voller Begeisterung darüber lustig zu machen. Molum -Sänger, die Humoristen des kleinen Mannes, hatten bereits mehrere Live-Versionen der Geschichte zur Aufführung gebracht. Selbst in Geungs simples Humorreservoir hatten sie Eingang gefunden.
»Immer langsam, Geung«, sagte Phosy. »Die kleine Malee ist noch ein bisschen zu jung für schmutzige Witze.«
Geung beugte sich vor und legte die Hand auf Dtuis mächtigen Bauch. »Entschuldige, Malee«, flüsterte er.
»Wie lange wollen Sie das Mädchen noch auf Eis packen?«, fragte Phosy und klopfte an die Tür der Kühlkammer.
»Ich würde sie nur ungern länger als nötig darin liegen lassen«, gestand Siri. »Wenn wir ihre Familie nicht bald ausfindig gemacht haben, müssen wir sie im Tempel anonym bestatten. Und das gefällt ihnen ganz und gar nicht.«
Alle wussten, wen er meinte.
»Gibt’s was Neues vom Verrückten Rajid?«, fragte Phosy.
»Er ist wie vom Erdboden verschluckt«, sagte Siri. »Jetzt sind es schon zwei Wochen, seit er das letzte Mal gesehen wurde.«
»Er könnte natürlich auch einfach weitergezogen sein«, gab Phosy zu bedenken. »Das ist unter Obdachlosen nicht ungewöhnlich. Er könnte sonstwo stecken.«
»Ich weiß nicht.« Dtui schüttelte den Kopf. »Normalerweise entfernt er sich eigentlich nicht allzu weit von zu Hause. Beziehungsweise dem Zuhause seines Vaters.«
»Wer hätte gedacht, dass der Verrückte Rajid einen Vater hat?«, sagte Phosy. »Und schreiben kann. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Sind Sie mit dem zweiten Rätsel vorangekommen?«
»Nicht direkt«, räumte Siri ein. »Dass es nicht nur von einem Verrückten verfasst, sondern obendrein aus dem Hindi übersetzt ist, macht die Sache doppelt knifflig.«
»Aber er ist doch gar nicht verrückt, oder, Dr. Siri?«, fragte Dtui. »Er ist jedenfalls nicht verrückt zur Welt gekommen. Sondern ein Kindheitstrauma hat ihm den Verstand geraubt.«
»Sie haben ja recht«, bekräftigte Siri. »Und nach allem, was wir wissen, lässt sich seine Krankheit womöglich sogar behandeln. Leider verfügen wir hier weder über das nötige Know-how noch über die Ressourcen, um ihm zu helfen. Wir tun uns ja schon mit gewöhnlichen Volkskrankheiten schwer.«
Phosy nahm Siri den Zettel aus der Hand. »Ein Funken Vernunft muss in ihm stecken, sonst
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