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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Regierung nahm die leeren Tempelanlagen zum Beweis dafür, dass der Sozialismus die bessere Lehre war als der Buddhismus.
    Das erklärte womöglich, weshalb die Besucher, die an diesem warmen Märzabend vor den Toren des Wat Si Saket eintrafen, erst einmal den Schlüsselhüter finden und ihn überreden mussten, ihnen aus Gründen der inneren Sicherheit auf der Stelle Zutritt zum Allerheiligsten des Tempels zu gewähren. Da es kein Licht gab, waren sie gezwungen, dem Abt geweihte orangefarbene Kerzen abzukaufen und diese in regelmäßigen Abständen in der rechteckigen Haupthalle aufzustellen. Das schuf eine stimmungsvolle, wenn auch etwas unheimliche Atmosphäre. Alle vier Wände waren vom Boden bis zur Decke mit kleinen Nischen versehen, die Buddha-Statuen aus Bronze, Silber oder Stein enthielten: eine dreidimensionale dharmische Tapete.
    »Was glaubst du, wie viele Augen das sind?«, wandte Siri sich an Daeng.
    »Mindestens viertausend. Meinst du, er hat sie gezählt?«
    »Bei Rajid würde mich gar nichts wundern. Ich denke, hier sind wir richtig. Jetzt brauchen wir nur noch den Gehirnlosen zu finden.«
    »Wir könnten jedem Buddha zwanzig Wissensfragen stellen.«
    »Nach meinen Berechnungen reicht die Zeit, die mir auf Erden noch beschieden ist, dazu wahrscheinlich nicht aus«, sagte er. Er lächelte gequält, und Daeng warf ihm einen strafenden Blick zu. »Was ist? Warum siehst du mich so an?«
    »Ist diese Woche irgendetwas vorgefallen, das du mir verheimlichst?«
    »Was meinst du?«
    »Ich meine, ist dir in der Pathologie der Sensenmann erschienen und hat dir eine persönliche Einladung in die Hand gedrückt?«
    Daengs Bemerkung sollte ein Witz sein, doch wie einem aufs Geratewohl geworfenen Hammer war es ihr irgendwie gelungen, den Nagel auf den Kopf zu treffen. Eine vertraute Faust schloss sich um Siris Herz. Die Vorboten des Todes hatten ihn jeden Tag besucht. Würmer krochen über seinen Schreibtisch, und der Geruch von feuchter Erde füllte seine Lunge. Saloop war überall – am Straßenrand, unter dem Obduktionstisch im Sektionssaal, in dem Gebüsch gegenüber der Nudelküche. Auf dem Weg zum Tempel hatten die gelben Augen des Hundes ihn aus jeder Gasse, jedem Winkel angefunkelt. Der Tod war Dr. Siri dicht auf den Fersen, doch das behielt er wohlweislich für sich. Es hatte keinen Sinn, die anderen damit zu belasten.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, log er.
    »Ach, Siri, egal worüber wir uns unterhalten, früher oder später kommst du immer wieder auf den Tod zu sprechen.«
    »Gar nicht wahr.«
    »Und ob das wahr ist. Das schöne Wörtchen Grab ist diese Woche mindestens zwanzig Mal gefallen.«
    »Hast du das auf Band?«
    »Das kannst du mir ruhig glauben.«
    »Daeng, ich bin Leichenbeschauer. So etwas nennt man déformation professionelle . Wenn du Süßholzgeraspel hören möchtest, hättest du jemanden aus der Lakritzfabrik heiraten müssen. Der Tod ist nun einmal mein Metier.«
    »Und warum werde ich dann das dumpfe Gefühl nicht los, dass es um etwas Persönliches geht?«
    »Weil du auch nicht mehr die Jüngste bist. Im Alter wird man eben manchmal etwas wunderlich.«
    »Ach ja?«
    Sie war drauf und dran, sich auf ihn zu stürzen und ihm den Arm auf den Rücken zu drehen, als Dtui am anderen Ende der Haupthalle einen spitzen Schrei ausstieß.
    »Doc, Tante Daeng. Ich glaube, wir haben den Hirnamputierten gefunden.«
    Dtui und Geung standen vor einer kleinen Galerie weitaus größerer Buddhas, einige von ihnen bis zu ein Meter zwanzig hoch. Sie waren aufgereiht wie Verdächtige bei einer Gegenüberstellung: ähnlich und doch verschieden. Und der Kopf der Statue, die alle anderen überragte, endete knapp über den Ohren. Sie war hohl, gusseisern und hatte offenbar ein schweres Trauma erlitten, bei dem sie nicht nur ihrer Schädeldecke, sondern auch der Hälfte ihres Rückens verlustig gegangen war. Diesen Platz in ansonsten intakter Gesellschaft hatte sie allein ihrem Alter und ihrer historischen Bedeutung zu verdanken.
    »Das scheint mir ein aussichtsreicher Kandidat zu sein«, sagte Daeng. »Möchte vielleicht jemand seine Hand hineinstecken?«
    Geung hob den Arm.
    »Ja, Herr Geung?«
    »Ich.«
    »Nur keine Hemmungen.«
    Geung legte die Handflächen aneinander, bat den Buddha mit einem kurzen Gebet um Vergebung und schob aufgeregt die Hand in die Eingeweide der Statue. Nachdem er ein Weilchen darin herumgewühlt hatte, zog er eine kleine Schriftrolle daraus hervor. Diese reichte er Siri, der

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