Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
sich gerade mit Wasser aus einer Kelle. Er öffnete ein Auge und spähte sie durch das Shampoo an.
»’tschuldigung«, sagte sie und schnappte sich den Mopp und die beiden Taschenlampen.
»Kein Problem«, gab er zurück.
In der Tür blieb sie kurz stehen, um einen letzten Blick über die Schulter zu werfen, dann ging sie mit dem Mopp zurück zu Siri. Der Stiel reichte gerade bis zu dem pelzigen Etwas in der Ecke. Es erwachte nicht zum Leben, als Siri es damit berührte. Die Taschenlampen brachten seine Identität ans Licht. Mit ein wenig Geschick gelang es Siri, es zu sich heranzuziehen. Daeng steckte den Arm durch die Lücke und packte es bei den Haaren. Es war eine Porzellanpuppe: der Tochter kalte Tochter . Ihre Kleider waren zerlumpt und von Insekten zerfressen, doch ihr Haar und ihr Gesicht sahen noch genauso frisch aus wie an dem Tag, als sie mit ihrer französischen Besitzerin in die Tropen gekommen war.
»Meinst du, wenn wir an ihrer Schnur ziehen, verrät sie uns das nächste Rätsel?«, fragte Daeng.
»Diese junge Dame dürfte etwa fünfzig Jahre älter sein als die erste Sprechpuppe, aber sieh mal hier.« Siri hatte den zerschlissenen Rock hochgehoben, und darunter kam ein züch tiger Damenschlüpfer zum Vorschein, in dessen Bund ein zusammengerolltes Stück Papier steckte. »Ah, Rajid, der alte Lustmolch.«
6
MADE IN THAILAND
Phan machte Wei, der Lehrerin, nun schon seit vier Tagen den Hof. Bislang lief alles wie am Schnürchen. Er und ihr Bruder waren die besten Freunde, ihre Eltern nannten ihn »Sohn«, und die Großmutter hätte ihn mit Freuden auf ihre Pritsche unterm Dach gezerrt. Wei gab sich reservierter als die meisten anderen Mädchen. Wahrscheinlich, weil sie in der Schule das Gesicht wahren musste. Dennoch war sie zweifellos in ihn verliebt. Noch hatte er nicht um ihre Hand angehalten, jedenfalls nicht direkt. Und doch herrschte in dieser Frage stillschweigendes Einvernehmen. Es war sein letzter Abend im Dorf. Seine Arbeit in dieser Gegend war vorerst beendet. Er hatte die Dorfbewohner so geschickt umgarnt, dass bei seiner Abreise gewiss die eine oder andere Zähre fließen würde.
Blieben nur noch der tränenreiche Abschied und ein, vielleicht auch zwei Liebesbriefe. Das sollte reichen. Doch vorher musste er sie stellen, die Frage aller Fragen. Es war die letzte Prüfung. Wenn sie die falsche Antwort gab, würde sie ihn niemals wiedersehen. Dann hatte dieser ganze Quatsch ein Ende. Ironischerweise würde die falsche Antwort ihr vielleicht das Leben retten. Mit der Zeit hatte er ein Gespür dafür entwickelt, doch er musste es in den Worten des Mädchens hören und die Wahrheit in ihren Augen lesen.
Er saß an demselben uringelben Teich und ignorierte die Mücken, die ihm das Blut aussaugten. Die Sonne war untergegangen, und im Schein einer kleinen Petroleumlampe flocht er aus Grashalmen einen Goldfisch. Plötzlich hörte er, wie der Kies unter zwei Paar Sohlen knirschte. Ein gutes Zeichen. Sie war nicht allein.
Sie sah ihn dort im warmen rötlichen Schein der Lampe sitzen und spürte, wie Nook ihre Hand drückte. Es war wie eine Szene aus dem Ramayana , die sie von einem Bild her kannte. Rama, der, von einem Glorienschein umgeben, am Ufer des Sees Manasarovar sitzt. In den ganzen vier Tagen hatte sie an ihm weder Fehl noch Tadel finden können. Er war ein ehrlicher, hart arbeitender Regierungskader, warmherzig, witzig, stark und … nicht unbedingt gutaussehend, aber vornehm, wie ein Adeliger beinahe. Ein Gesicht, das sehr gut altern würde. Seit seiner Ankunft hatte sie sich verändert, war sie zu einem besseren Menschen geworden. Ihr Dorf, ja ihr ganzes Leben gewann an Bedeutung, wenn sie es durch seine Augen betrachtete. Und sie? Sie war erblüht zu … nein, das genügte. Sie war erblüht.
Er sah, wie sie sich von ihrem schwulen Freund verabschiedete und auf ihn zukam. Aber der Schwule drehte sich nicht um und ging zurück. Er war ihr Anstandswauwau. Dagegen war im Prinzip nichts einzuwenden, aber musste es denn ausgerechnet diese Tunte sein? Warum wollte ein Mann, den die Natur mit allem Notwendigen ausgestattet hatte, unbedingt eine Frau sein? Es war widerlich. Phan spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Er musste sie ignorieren. Er musste die Schwuchtel ignorieren und sich auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren.
Als sie näher kam, stand er auf und wies auf einen großen Felsblock. Damit sie bequem saß, hatte er seine Windjacke darübergebreitet.
»Hallo, Phan.«
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