Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
hatte, bemerkte Siri, dass der Inder ein Auge leicht geöffnet hielt. Der Schein der Taschenlampe offenbarte sein Geheimnis. Ein Lidschlag nur trennte Rajid vom sicheren Tod.
Siri erwachte auf der Privatstation der Mahosot-Klinik, und das beileibe nicht zum ersten Mal. Eine Sauerstoffmaske bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts. Er fragte sich, was ihm diesmal widerfahren war, und dachte an einige der anderen Katastrophen zurück, die er in den vergangenen zwei Jahren überstanden hatte: die Explosion seines Hauses, der Mordanschlag eines Irren, Stromstöße, Besessenheit und natürlich der Ertrinkungstod. Es grenzte an ein Wunder, dass er morgens überhaupt noch die Augen aufschlug. Trotzdem freute es ihn jedes Mal. Man musste sich ans Leben klammern, solange es noch ging. Erst wenn man es zu verlieren drohte, lernte man seinen wahren Wert schätzen.
Ob es am Sauerstoff oder an der Bettruhe lag, vermochte er nicht zu sagen, aber er hatte sich wahrhaftig noch nie so wohlgefühlt. Er setzte die Maske ab und schaute sich im Zimmer um. Der zwei Jahre alte Thai-Kalender zur Feier der Königlichen Pflugzeremonie hing noch immer an der Wand, die ihrerseits noch immer in demselben Blau erstrahlte wie der Flughafen Wattay. Aber die Büffel wirkten eine Idee ausgelassener als im Jahr zuvor und die Wände eine Spur fröhlicher. Er sah an sich hinunter: Er war Johnny Weismuller, der Kino-Tarzan. Alles war in bester Ordnung, und im Herzen wusste er, dass der Verrückte Rajid seine Tortur überlebt und das einzig und allein ihm, Siri, zu verdanken hatte.
Zwei Tage lang war alles eitel Glück und Sonnenschein. Siri war ein Held, wenn auch mit eher bescheidener Fangemeinde. Dtui war Mutter, wenn auch mit einem erstaunlich kleinen Baby. Rajid lebte, und Civilai hatte mit seinem Kürbiskuchen beim Backwettbewerb des Laotischen Patriotinnenverbandes einen Preis gewonnen.
Die wesentlichen Fragen waren beantwortet. Wie es schien, hatte Rajid sein klettertechnisches Geschick in regelmäßigen Abständen dazu benutzt, in die – damals noch beschädigte – Stupa einzudringen, um dort nach vergrabenen Schätzen zu suchen. Manchmal hatte er sogar darin genächtigt. Die Beule an seinem Kopf legte den Schluss nahe, dass er irgendwann gestürzt war und das Bewusstsein verloren hatte. Das war natürlich alles graue Theorie, da Rajid noch immer ohne Besinnung war und sein Schweigegelübde vermutlich auch nach seinem Erwachen halten würde. Doch aus irgendeinem Grund war er drei Wochen in der Si-Muang-Stupa eingemauert gewesen. Wie er das überlebt hatte, blieb ein Rätsel. Vermutlich war durch kleinere Risse in der Turmspitze Luft ins Innere gedrungen. Und Rajid war dem Erdreich verbun den, ein Bruder der Frösche. Falls er Trinkwasser gefunden hatte, musste es brackig und ungenießbar gewesen sein. Die einzig schlüssige Erklärung war, dass er sich von den Insekten ernährt hatte, an denen in der alten Stupa kein Mangel herrschte. Rajid hatte sein Leben Spinnen, Schaben und Würmern zu verdanken.
Dass die Klinikärzte Siri über Nacht dabehalten hatten, war eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Seine Freundin Dr. Davone teilte ihm mit, dass es für einen Lungenkranken nicht eben ratsam sei, mit dem Vorschlaghammer eine Stupa einzureißen. Außerdem gab sie ihm zu verstehen, dass er in engen Räumen oder großer Höhe ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr leicht ohnmächtig werden könne. Sie verbot ihm ausdrücklich, dem Tiefseetauchen zu frönen oder einen Achttausender zu besteigen. Siri versprach ihr hoch und heilig, beidem künftig zu entsagen. Als er schließlich entlassen wurde, war er wieder ganz bei Kräften, wie Madame Daeng wohl zu bestätigen wusste.
Es wurde Montag, und das Gefühl von Glück und Harmonie verblasste angesichts des Bösen, das Laos nach wie vor in Atem hielt. Vielleicht hatten alle, die an der Aufklärung des Mordfalles beteiligt waren, den Gedanken daran bewusst verdrängt und waren für jede Ablenkung dankbar gewesen. Vielleicht wollten sie sich aber auch nur einreden, dass man auf der Erde immer noch sicher und in Frieden leben konnte. Doch ihre Zuversicht währte nicht lange.
Die polizeilichen Ermittlungen hatten nur wenig Neues ergeben. Sergeant Sihot hatte sämtliche Personen befragt, die in Ban Xon mit Phan zusammengetroffen waren. Der Dorfvorsteher hatte ihm das amtliche Empfehlungsschreiben vorgelegt. Es wirkte täuschend echt und identifizierte Phan als Thongphan Ratsakoun. Er führe
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