Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Vermessungsarbeiten für ein geplantes Straßenbauprojekt in der Umgebung durch, hieß es darin, und das Amt würde sich sehr freuen, wenn der hochgeschätzte Kader in Ban Xon dem Genossen Thoungphan für die Dauer seines Aufenthaltes ein Quartier bereitstellen könnte. Er verfüge über ein bescheidenes Budget für Kost und Logis, und für jegliche Unterstützung werde sich »das Zentralkomitee erkenntlich zeigen«. Beglaubigt wurde der Brief durch einen kreisrunden roten Stempel und die Unterschrift des Amtsdirektors, der seinen eigenen, noch prächtigeren roten Stempel daruntergesetzt hatte.
Seit auch in Laos das Zeitalter der Vervielfältigungsappa rate und Schreibmaschinen Einzug gehalten hatte, war es nicht besonders schwer, amtliche Dokumente wie dieses zu fälschen, sofern man Zugang zu derlei Gerätschaften besaß. Wie nicht anders zu erwarten, war ein Thoungphan Ratsakoun weder dem Straßenbauamt noch irgendeiner anderen Behörde bekannt. Es hätte Monate gedauert, die im ganzen Land verstreuten Polizeiakten zu durchforsten, aber da der Name offensichtlich falsch war, hatte das ohnehin keinen Zweck.
Die Dorfbewohner, die Phan bei einem Abendessen oder auf dem Takrawplatz kennengelernt hatten, waren sich einig: Er sei ein prima Kerl, sehr freundlich und sympathisch. Was er tagsüber getrieben hatte, wusste niemand. Nicht wenige hatten den Eindruck, dass er nur zu gern von seiner Arbeit gesprochen hätte, ihm dies jedoch verboten war. Er hatte zwar einen Lastwagen, aber keinen Fahrer, und das war interessant, denn das deutete darauf hin, dass er unabhängig war, vielleicht Sektionsleiter oder dergleichen. Jedenfalls war er nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Er habe Stil, meinten gleich mehrere Frauen. Vielleicht stammte er aus wohlhabender Familie. Er war ohne Zweifel weitgereist. Jedenfalls kannte er sich in Laos bestens aus.
Woher er kam? Das konnte niemand sagen. Er war in jungen Jahren angeblich oft umgezogen. Eine Soldatenfamilie, vielleicht? Irgendwo aus dem Norden, obwohl er mit zentrallaotischem Akzent sprach. Die Andeutungen zu seiner Vergangenheit waren so vage gewesen, dass sich kaum jemand daran erinnern konnte. Auf die meisten Fragen hatte er mit einem Scherz geantwortet, und ihre Ehrfurcht verbot es ihnen, weiter in ihn zu dringen. Sergeant Sihot war zu dem Schluss gelangt, dass sie es mit einem äußerst vorsichtigen und gerissenen Verbrecher zu tun hatten. Er hatte praktisch keine Spuren hinterlassen.
Siri, Civilai und Phosy saßen auf dem Baumstamm am Ufer des versiegenden Mekong. Civilai hatte das Mittagessen beigesteuert: nach neuem Rezept gebackenes Baguette mit echtem Corned Beef.
»Wo kriegst du eigentlich dieses ganze exotische Zeug her?«, fragte Siri. Das Baguette schmeckte vorzüglich. Civilai schien die Zauberformel gefunden zu haben. Sie spülten das Brot mit frisch gepresstem Guavensaft hinunter, den sie den freundlichen Bemühungen von Madame Noy verdankten. Civilais Angetraute hatte sich allmählich damit abgefunden, dass ihr ehemals dauerabwesender Gatte zum Stubenhocker mutiert war. Die Küche durfte sie zwar noch betreten, aber ihr Reich war sie nun nicht mehr. Civilai verfügte im Großen und Ganzen immer noch über den Knochenbau eines Grashüpfers, stand inzwischen jedoch so gut im Futter, dass sie sich nächtens an ihm wärmen konnte, deshalb beklagte sie sich nicht.
»Ich habe nach wie vor einflussreiche Freunde«, erklärte er seinen Mitessern. »Ihr würdet euch wundern, was unsere amerikanischen Besatzer uns hinterlassen haben. Gegen das nötige Kleingeld könnte ich euch alles Mögliche besorgen: Frühstücksfleisch, Dosensuppe, Sardinen in Tomatensauce, Würstchen, Bohnen, was ihr wollt. Es gibt Unmengen von dem Zeug, ganze Lagerhäuser voll.«
»Die alten Blechdosen müssten eigentlich längst verrostet sein«, meinte Phosy.
»Ah, Inspektor« – Civilai reckte den Zeigefinger –, »angeblich kann man gar nicht genug Eisen zu sich nehmen. Und wenn Eisen so gesund ist, wird das bisschen Rost uns auch nicht schaden.«
Siri lachte. »Stellen Sie sich vor, Phosy. Vor seiner Pensionierung kam nur das Politbüro in den Genuss seines Genies. Jetzt dürfen wir alle daran teilhaben.«
»Ein wenig Genie könnte ich gut gebrauchen«, gestand Phosy und machte ein mürrisches Gesicht.
»Der Würger?«, fragte Civilai.
»Wir kommen auf keinen grünen Zweig. Für eine landesweite Fahndung fehlen uns schlicht die Mittel. Von Ihrem Häkelkränzchen haben Sie vermutlich
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