Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Echtheit von Dokumenten überprüfen. Unsere Mädels brauchen ein Original nur mit dem Muster zu vergleichen. Wenn es verdächtig aussieht, rufen sie die Kavallerie. Mit anderen Worten: mich.«
Er lachte, bis sie am Fuß der Treppe angekommen wa ren. In einem der Haupträume saßen zwei Männer an einem Schreibtisch und brüteten über einer Karte, die sie wie eine überdimensionale Tischdecke über die Arbeitsfläche gebreitet hatten. Einer der Männer war groß und schlank und hatte so dunkle, tiefe Augen, dass man ohne Weiteres eine Füllfeder hätte hineintauchen können. Der andere war stämmig, hatte eine gebrochene Nase und eine Narbe an der Wange. Die klassischen Attribute eines Boxers.
»Genossen«, sagte Kummai. Die beiden Männer blickten auf. »Das ist Siri, mein alter Feldarzt. Er hat mir im Krieg die Gedärme wieder zusammengeflickt.«
Siri schüttelte den Männern die Hand und wünschte ihnen Wohlsein. Beide hatten einen überaus kräftigen Händedruck.
»Diese tapferen Männer reisen demnächst in die unerschlossenen Gebiete am Nam-Theun-Fluss.«
»Um Befragungen durchzuführen?«, erkundigte sich Siri.
»Um die Fragebögen einzusammeln«, sagte der Boxer. »Wir stellen ein Team aus Einheimischen zusammen und lernen sie an. Dann fahren sie mit unseren Formularen in die entlegenen Regionen und füllen sie aus. Nach vierzehn Tagen holen wir die Unterlagen wieder ab und bezahlen die Aushilfen.«
Siri fiel auf, dass ihn der schlanke Mann anstarrte. Aus seinem Blick sprach Argwohn. Ein generelles Misstrauen Fremden gegenüber? Siri lief ein Kribbeln das Rückgrat hinab.
»Nach genau vierzehn Tagen?«, fragte er.
»Ja. In der Regel schon«, sagte der Dunkeläugige.
»Und Sie reisen immer zu zweit?«
»Nein, zu dritt«, sagte Kummai. »Die beiden und Genosse Buaphan, der Leiter der Einheit.« Aus dem Kribbeln wurde ein Schaudern.
Dem Dunkeläugigen war Siris Gemütserregung nicht entgangen. Er runzelte die Stirn. »Fehlt Ihnen etwas, Doktor?«
»Ach was, ihm fehlt nichts«, fuhr Kummai dazwischen. »Für einen Mann seines Alters ist er bestens in Schuss. Ich bezweifle, dass ich mit neunzig noch aufrecht stehen kann.«
»Tja«, sagte Siri. »Nun habe ich sämtliche Mitarbeiter des Projekts kennengelernt. Fehlt eigentlich nur noch Genosse Buaphan.«
»Ganz recht«, sagte der Direktor. »Und es wird ihm eine Ehre sein, die Bekanntschaft des großen Dr. Siri zu machen.« Die beiden Männer erwiderten Siris Nicken, und er folgte Kummai auf den Flur hinaus. Am anderen Ende des Korridors befand sich eine geschlossene Tür, und Kummai trat ohne anzuklopfen ein. In einem Lehnsessel saß ein großer, eleganter Mann mit hohen Wangenknochen und tiefschwarzem, im Nacken gelocktem Haar und las eine thailändische Zeitschrift. Was seine Garderobe anging, war er das genaue Gegenteil von Kummai: hellbraune bügelfreie Hosen, ein weißes, bis zum Kragen zugeknöpftes Hemd und trotz der Hitze marineblaue Socken. Er entsprach in so ziemlich allen Einzelheiten dem Phantombild, das Siri sich insgeheim von ihm gemacht hatte. Zögernd blickte der Mann von seiner Lektüre auf.
»Ah, Buaphan, nichts zu tun?«, fragte der Direktor mit aufgesetzter Heiterkeit.
»Nein«, erwiderte der Mann. Seine Stimme war tief und gebieterisch.
»Ich dachte, Sie wären schon so gut wie auf dem Sprung.«
»Mitnichten.«
Kummai lachte, als handele es sich um einen Witz.
»Na schön«, sagte er. »Das ist Dr. Siri, unser alter Buschchirurg.«
Weder legte Buaphan seine Zeitschrift beiseite, noch streckte er Siri seine riesige Pranke hin. Er nickte bloß. »Doktor.«
»Genosse Buaphan«, sagte Siri und erwiderte das Nicken. »Wie ich höre, fahren Sie mit Ihren Leuten heute zum Nam-Theun-Fluss hinaus.«
»Jawohl.«
»Ich habe aber keinen Laster auf dem Hof stehen sehen.«
»Das könnte daran liegen, dass er nicht da ist«, erwiderte Buaphan trocken und widmete sich wieder seinem Artikel. Siri und Kummai sahen sich an.
»Er ist zur Inspektion in der Werkstatt«, sagte der Direktor. »Ölwechsel, Wasser und so weiter. Eine kleine Generalüberholung.«
»Fahren Sie selbst, Genosse?«, fragte Siri den Scheitel des hochgewachsenen Mannes.
»Ja«, antwortete der. »Wenn’s nach mir ginge, schon.«
»Genosse Buaphan hat gelinde Schwierigkeiten mit unseren Fahrern«, erläuterte der Direktor.
»Ehrlich gesagt, Doktor, habe ich keine Schwierigkeiten mit den Fahrern«, sagte er. »Sondern mit unnötigem Luxus und Verschwendung. Jeder
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