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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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oppositionelle Gruppen erst ausfindig und dann unschädlich zu machen, was jedoch selbstredend niemand bestätigen mochte.
    Die Erhebung hatte Anfang 1977 begonnen. Allein die Logistik stellte die Datensammler vor schier unlösbare Probleme, da die meisten ethnischen Gruppen sich nicht zuletzt deshalb in entlegenen Regionen angesiedelt hatten, um den Schikanen der Regierung zu entgehen. Der Zensus wurde zwar vom Innenministerium organisiert, die mit der Durchführung beauftragten Beamten aber saßen in einem zweistöckigen Gebäude in der Koovieng Road. Die Belegschaft bestand aus dem Direktor, Genosse Kummai, sechs Sachbearbeiterinnen zur Datenerfassung, drei Fahrern, drei mobilen Einsatzteams und einer Frau, die putzte und hektoliterweise Tee kochte. Zwei der Einsatzteams flogen in die tiefste Provinz, mieteten am Zielort einen Geländewagen und fuhren damit in die Hügel. Das dritte operierte in der näheren und weiteren Umgebung von Vientiane und bezahlte die örtlichen Funktionäre für die Datenerhebung in den hintersten Winkeln ihrer Bezirke.
    Als Siri an diesem Vormittag in der Koovieng Road eintraf, schickte ihn die Putzfrau geradewegs nach oben, in Genosse Kummais Büro, ohne ihn zu fragen, wer er sei. Die Tür des Direktors stand offen, und Kummai starrte auf eine riesige Wandtafel, machte in einem fort »Pschh, pschh« und kratzte sich am Kopf. Er schien in dem Gewirr aus Linien und Ziffern nach etwas Bestimmtem zu suchen. Die Zugehfrau ließ Siri einfach stehen, sodass ihm wenig anderes übrig blieb, als sich dem Direktor vorzustellen.
    »Verzeihung, Genosse.«
    Kummai drehte sich um. Er war korpulent und kaum größer als Siri. Sein weißes Hemd hing ihm halb aus der Hose. Er trug keine Socken und hatte sich die Hosenbeine bis zu den Knien hochgekrempelt.
    »Sie sind Dr. Siri«, sagte er.
    »Derselbe.«
    Siri durchforstete sein Gedächtnis nach dem Direktor, ohne Erfolg.
    »Kummai, Nordzone, 3. Regiment«, sagte der Mann. »Ich bin’s, Hauptmann Kummai. Sie waren uns ein paar Monate zugeteilt. In der heißen Jahreszeit – ’65, wenn mich nicht alles täuscht.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis, Genosse.«
    »Nur für Namen und Daten. Wahrscheinlich bin ich deshalb hier gelandet. Es ist übrigens kein Wunder, dass Sie sich nicht an mich erinnern. Damals war ich ein paar Kilo leichter.«
    Siri konnte ihn beim besten Willen nicht einordnen, schließlich war er in seinem Leben Tausenden von Soldaten über den Weg gelaufen. Anders wäre es gewesen, wenn Kummai ihm unter den Fingern weggestorben wäre. Zu Siris Entsetzen begann der Leiter der Zensusbehörde, sich das Hemd aufzuknöpfen. Siri wich einen Schritt zurück in Richtung Tür.
    »Erinnern Sie sich daran?«, fragte Kummai. Er hob eine Fettrolle an, unter der eine Blinddarmnarbe zum Vorschein kam. Sie sah aus wie jede andere Blinddarmnarbe.
    »Saubere Arbeit«, befand Siri.
    »Wie könnte es auch anders sein? Das ist Ihr Werk. Ich wette, Sie haben der halben Abteilung diese oder jene Narbe verpasst. Es würde mich nicht wundern, wenn die Männer vor ihrer Liebsten heute damit prahlen, dass sie einen echten Siri spazieren führen.«
    »Ich hätte sie signieren sollen.«
    Kummai brüllte buchstäblich vor Lachen. Er schüttelte Siri die Hand und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Mich laust der Affe«, sagte er. »Dr. Siri lebt. Wie alt sind Sie jetzt? Achtzig? Neunzig?«
    Siri lachte. »Manchmal kommt es mir so vor.«
    »Das glaub ich gern. Das glaub ich gern. Kommen Sie, Dr. Siri. Ich führe Sie durch mein Reich.«
    »Machen Sie sich meinetwegen keine Umstände«, sagte Siri.
    »Unsinn.« Kummai nahm den Doktor am Arm und eskortierte ihn aus dem Büro. Siri und Daeng hatten sich eine komplizierte List ausgedacht, um in das Gebäude zu gelangen, doch der Direktor fragte ihn noch nicht einmal nach dem Grund seines Besuches. Der Rundgang begann im Schreibbüro im ersten Stock.
    »Das ist der gute alte Dr. Siri«, erklärte Kummai den jungen Frauen. »Er hat mir im Krieg das Leben gerettet. Und wir sind beide noch putzmunter. Ha ha.«
    Mit seiner penetranten guten Laune raubte der Direktor den jungen Damen den letzten Nerv. Während Kummai seinen Blinddarmdurchbruch in allen Einzelheiten schilderte, bemerkte Siri, dass die Wände mit Mustern so ziemlich jedes nur erdenklichen amtlichen Dokuments gepflastert waren. Als sie hinausgingen, fragte er den Direktor, was es damit auf sich habe.
    »Kontrollen, Siri. Kontrollen. Wir müssen des Öfteren die

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