Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Mittagsansturm. Daengs glückliches Gesicht glänzte vor Schweiß. Der kleine Ventilator an dem Pfosten neben dem Herd musste sich gewaltig anstrengen. Da Siri wusste, dass seine Frau Nudeln quasi im Schlaf kochen konnte, trat er neben sie, während sie am Kessel schuftete, und erzählte ihr von seinem Besuch in der Zensusbehörde. Sie nickte an den richtigen Stellen, hakte ein oder zwei Mal nach, und als er schließlich fertig war, griff sie in ihre Handtasche und gab ihm ihr ganzes Geld.
»Fahr vorsichtig«, sagte sie.
Siri hetzte die Treppe hinauf, um seinen Rucksack zu packen, und als er wieder nach unten kam, drückte sie ihm etwas Reiseproviant in die Hand. »Denk an deine schwache Lunge«, sagte sie.
»Ich spiele doch bloß den Kundschafter«, beschwichtigte er sie. »Sobald Phosy wieder da ist, komme ich nach Hause. Aber ich möchte sicherstellen, dass nicht noch ein Mädchen sterben muss, weil ich den Würger aus den Augen gelassen habe.«
»Ich weiß. Ich vertraue dir.« Sie drückte seine Hand und sah ihm nach, wie er davonfuhr. Siri wandte den Kopf und winkte. Plötzlich wurde ihm klar, dass es keinen Siri und keine Daeng mehr gab. Sie waren eins geworden.
Siri hatte im Polizeihauptquartier nur deshalb niemanden angetroffen, weil Sergeant Sihot nach Champasak gereist war, um Nachforschungen wegen des vermissten Mädchens anzustellen, und Phosy und sein erfahrenster Ermittler Tham sich am Schauplatz eines anderen Mordes aufhielten, eines Mordes, der schon lange zurücklag.
Als feststand, dass es mehrere Entführungsfälle gab, hatte Phosy das laotische Pendant eines Fahndungsbefehls herausgegeben. Zu diesem Zweck hatte er die Polizeiwachen in den größeren Städten und Gemeinden via Kabel informiert, in der Hoffnung, dass diese die Unterlagen per Kurier in die Provinz weiterleiten würden. Es konnte einen Monat dauern, bis das Memo allen zuständigen Stellen vorlag. Deshalb hatte ihn der Anruf, den er morgens um acht erhalten hatte, umso mehr überrascht.
»Ich möchte Inspektor Phosy sprechen«, hatte die Stimme gesagt.
»Am Apparat.«
»Ich habe Ihre Nachricht wegen der Mädchen bekommen.«
»Und wer sind Sie?«
»Sergeant Oudi vom Polizeiposten bei Kilometer 38 an der Kreuzung Bolikham Road. Aber ich rufe von der Bank in Pakxan aus an. Die Geschäftsleitung lässt uns freundlicherweise …«
»Ich höre, Sergeant.«
»Gut. Also, voriges Jahr haben wir die Brücke bei Kilometer 10 repariert, und als einer der Arbeiter sich zum Pinkeln in die Büsche schlug, stieß er auf Knochen.«
»Nur Knochen?«
»Ja, Genosse. Sie lagen unter einem Baum verstreut. Ich habe sie mir angesehen, aus reiner Neugier. Erst dachte ich, sie stammen von einem Tier, aber dann fand ich ein langes Menschenhaar. Es handelte sich offenbar um eine tote Frau, und allerlei Viehzeugs hatte sich über die Leiche hergemacht. Nichts deutete auf ein Verbrechen hin, und es war auch niemand als vermisst gemeldet worden. Also habe ich ihre sterblichen Überreste begraben, um ihren Geist bei Laune zu halten. Dann habe ich einen Bericht geschrieben, ihn zu den anderen Akten gelegt und an die Zentrale geschickt. Ich habe nie wieder davon gehört.«
Das wunderte Phosy nicht. Sie hatten kaum genügend Personal, um die Akten zu stapeln, geschweige denn sie zu lesen.
»Hm«, machte er. »Und wie kommen Sie darauf, dass das mit unserem Fall zusammenhängen könnte?«
»Das Band, Inspektor. Um einen der Knochen war ein rosa Band geschlungen.«
Während Sergeant Oudi und sein Kollege die Knochen ausgruben, die er ein halbes Jahr zuvor so liebevoll bestattet hatte, suchten Phosy und Tham die Umgebung des Baumes ab.
»Sind Sie sicher, das wir hier richtig sind?«, rief Phosy dem Polizisten zu.
Oudi berührte zum zehnten Mal das Amulett um seinen Hals. Die Geister hatten es nicht so gern, wenn man ihre Gebeine exhumierte.
»Ja, Genosse«, sagte er. »Sie lagen hier überall verstreut.«
»Und ist Ihnen, abgesehen von dem Haar und dem rosa Band, sonst noch etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
Das grausamste Detail der Morde hatte Phosy in seinem Memo ausgespart. Er hielt es für ratsam, einen entscheidenden Beweis in der Hinterhand zu behalten, bis sie einen Verdächtigen hatten.
»Irgendetwas«, bohrte Phosy. »So unwichtig es Ihnen auch erscheinen mag.«
»Ja, Genosse. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Da war noch etwas.«
»Nämlich?«
»Ein Stößel.« Eine Faust schloss sich um Phosys Herz. »Beim Einsammeln der Knochen habe
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