Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
allerhand los. Aber nach dem Waffenstillstand gab es eigentlich keinen Grund mehr, hier zu bleiben. Wir haben hier kein fließend Wasser, müssen Sie wissen. Diese Siedlung ist nicht auf natürlichem Wege entstanden, sondern hatte vor allem strategische Funktion.«
»Und warum sind Sie dann noch hier?«, fragte sie.
»Wo sollen wir denn sonst hin?«, lautete seine ehrliche Antwort. »Die Regierung möchte sämtliche Bergstämme in die Ebene umsiedeln, aber da wir nichts vom Reisanbau verstehen, könnten wir dort unten nicht überleben. Wir fühlen uns wohl hier oben, in den Wolken.«
Sie marschierten den Hügel hinauf zu der Hütte, alle bis auf die Frau, die wie ein einsamer Reishalm auf der Lichtung zurückblieb.
»Steht der Laster häufiger hier oben?«, fragte Phosy.
»Na ja, sie sind heute erst gekommen, aber als sie vor vierzehn Tagen hier waren, ging es ständig hin und her. Wir dachten, der Laster würde die Fragebögen bei den anderen Sammelstellen abholen. Wenn Genosse Buaphan damit unterwegs war, hat der Fahrer sich oft zu uns gesetzt und sich über ihn lustig gemacht. Der Chef hat den armen Kerl dazu verdonnert, Formulare zu zählen und bergeweise Fragebögen in Zementsäcken zu verstauen. Sie haben sich nur selten gleichzeitig hier aufgehalten.«
»Aber der Laster war nicht so häufig über Nacht hier?«
»So gut wie nie.«
»Und Sie haben gesehen, wie der Genosse Buaphan und der Fahrer heute um die Mittagszeit zusammen weggefahren sind?«
»Nein.«
»Aber Sie haben doch gesagt …«
»Ich habe den Genossen Buaphan allein wegfahren sehen. Der Fahrer war nicht dabei.«
»Und wo steckt der Fahrer?«, erkundigte sich Daeng.
»Keine Ahnung.« Der Mann schien zum ersten Mal über diese Frage nachzudenken. »Ich habe ihn seit heute Morgen nicht gesehen. Vielleicht ist er oben in der Hütte. Hier gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.«
Da sie sich im tiefsten Dschungel befanden, schien Daeng diese Bemerkung reichlich abwegig. Sie hatten die Hügelkuppe erreicht. Die Hütte war ein strohgedeckter Schuhkarton, in dessen Front man eine Tür und ein Fenster geschnitten hatte, und erinnerte irgendwie an eine Kinderzeichnung. Sie waren zu fünft, und ein Sechster hätte in den winzigen Raum auch nicht hineingepasst. An der Rückwand lehnte ein zusammengerollter Militärschlafsack, und daneben stand ein leerer Rucksack aus amerikanischen Armeebeständen. Buaphans wenige Habseligkeiten lagen auf einer Bambusbank ausgebreitet.
»Das einfache Leben«, sagte Daeng. »Besonders viele Partys hat er hier wohl nicht gefeiert.«
Zwei weiße Hemden, gefaltet nach Art chinesischer Wäschereien, eine schwarze Hose, zusammengerollt, damit sie keine Falten warf, mehrere Garnituren Unterwäsche und Socken, eine teuer aussehende Uhr, ein englischsprachiger Roman, in dem ein Lesezeichen klemmte, sowie ein bescheidenes Bündel Kip.
»Wohin auch immer er gefahren ist, eine Uhr oder Geld brauchte er dafür offensichtlich nicht«, sagte Phosy und betrachtete die Gravur auf der Rückseite des Chronometers. »Von Deinen Dich liebenden Eltern«, las er.
»Reiche Familie, wie es scheint«, sagte einer der beiden Polizisten.
»Also könnte es tatsächlich sein, dass er sich seinen Posten gekauft hat«, sinnierte Daeng und dachte an Siris Theorie.
»Und es gibt nur einen Grund, weshalb ein Mann mit Geld sich in die Wildnis zurückzieht«, sagte Phosy.
»Vielleicht suchte er ja bloß ein wenig Ruhe und Frieden«, gab Daeng zu bedenken.
»Nein, er hat die Abgeschiedenheit gewählt, damit niemand nachvollziehen konnte, wo er sich wann aufhielt. Deshalb hat er sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, einen Fahrer mitzunehmen. Er wollte den Lastwagen für sich allein. Er bleibt ganz bewusst an der Peripherie. Normalerweise würde der Projektleiter seine Zelte im Zentrum des Einsatzgebietes aufschlagen, unten an der Kreuzung in Nahoi. Aber da war ihm zu viel los. Dort hätte jeder sehen können, wann er kam und ging. Dieses Fleckchen ist ideal.«
Alle Puzzleteile passten zusammen. Nur eines fehlte: der Fahrer.
»Sind Sie hundertprozentig sicher, dass der Fahrer nicht im Wagen war?«, fragte Phosy ein zweites Mal. »Vielleicht lag er ja auf dem Rücksitz und schlief.«
»Meine Augen sind tipptopp«, sagte der Mann. »Ich stand da drüben, auf der anderen Hügelkuppe. Ich habe den Genossen Buaphan leibhaftig von seiner Hütte zum Laster hi nuntergehen und in den Wagen steigen sehen. Es war nie mand
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