Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
schoben.
Eigentlich hätte er keinen Gedanken mehr daran verschwenden dürfen, trotzdem war er den ganzen Abend nervös und gereizt gewesen. Nicht einmal auf die Entjungferung der Frau, die er in seinen Besitz gebracht hatte, konnte er sich freuen. Er wollte es nur noch so schnell wie möglich hinter sich bringen. Während der gesamten Feier war es ihm nicht gelungen, in die Rolle des Charmeurs zu schlüpfen. Er war barsch und beleidigend gewesen. Er hatte seiner Armbanduhr erheblich mehr Aufmerksamkeit geschenkt als seiner Braut. Wären sie nüchtern gewesen, hätten sie seine schlechte Laune auf seine Nervosität geschoben. Aber daran schien sich niemand zu stören, und inzwischen spielte es auch keine Rolle mehr. Er hatte, was er wollte.
Sie fuhren schon eine Stunde, und bislang war ihnen kein anderes Fahrzeug begegnet. Nur noch zehn Kilometer bis zur Abzweigung nach Nahoi. Der Mond zwängte sich zwischen zwei große Wolken. Bald würde der Regen kommen, und dann waren all diese Straßen selbst mit Vierradantrieb unpassierbar. Er ging vom Gas, als er sich dem verdorrten Baum näherte, der seine verzagten Äste über die Straße streckte wie die Speichen eines windgepeitschten Schirms. Hier war er richtig. Mitten auf der Straße hielt er an. Er stellte den Motor ab, und die jähe Stille war wie ein Seufzer der Erleichterung. Abgesehen vom Klicken und Zischen des Motors, waren die Geräusche der Natur so wohltuend und erholsam wie ein Bad in einem warmen Bach.
»Warum halten wir an?«, fragte Wei.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte er. »Aber erst muss ich alles vorbereiten. Versprichst du mir, im Wagen zu bleiben, bis ich fertig bin?«
Sie lachte. »Phan, du bist wirklich etwas ganz Besonderes.«
Er konnte kaum noch an sich halten. Der Drang war einfach zu stark.
»Versprochen?«
»Ja. Versprochen.«
Er stieg aus dem Führerhaus und öffnete die Ladeklappe. Er schob einen Fuß in den Metalltritt und kletterte auf die Lade fläche. Der alte Jiefang-Militärlaster war mit einer fest montierten, verschließbaren Werkzeugkiste ausgestattet. Sie befand sich an der Rückseite der Fahrerkabine und war geräumig wie ein Sarg. Er schob seinen Schlüssel in das Vorhängeschloss, öffnete den Deckel und holte eine Reisetasche hervor. In der Kiste lag noch anderes Handwerkszeug, aber das brauchte er vorerst nicht. Er sprang von der Ladefläche, rief »Rühr dich nicht vom Fleck« und verschwand im Unterholz am Straßenrand.
Wei genoss den leichten Whiskyrausch, die Stille und das aufregende Gefühl, verheiratet zu sein. Sie hatte sich all die wunderbaren Dinge ausgemalt, die der Ehestand so mit sich bringen würde. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Phan war kein gewöhnlicher Mann, und heute war ein außergewöhnlicher Tag. Er war den ganzen Abend nicht er selbst gewesen, kein Wunder, bei solch einem Anlass. Sie wusste schließlich auch nicht mehr, wo ihr der Kopf stand, seit sie ihm begegnet war.
Zehn Minuten später tauchte ihr Mann wieder auf. Er lief um das Führerhaus herum, winkte ihr durch die Windschutzscheibe und kletterte hinters Steuer. Er machte einen glücklichen, zufriedenen Eindruck.
»Ich fahre den Wagen nur eben von der Straße herunter«, sagte er. »Wir möchten schließlich nicht gestört werden.«
Sie wollte etwas sagen, doch ihre Worte gingen im Aufheulen des Motors unter. Ohne die Scheinwerfer einzuschalten, setzte er quer über die Straße zurück, rammte dabei einen kleinen Erdwall und manövrierte den Laster in eine schmale Lücke zwischen dem alten, toten Baum und einem etwas jüngeren Exemplar ein paar Meter weiter links. Der Seitenspiegel streifte den abgestorbenen Baumstamm. Wei lachte. Es war wie ein großes Abenteuer. Der Wagen bahnte sich einen Weg durch das dichte Unterholz, Blätter und Zweige liebkosten die Fenster, Äste blieben an den Außenspiegeln hängen und schnellten schnarrend zurück.
Ein Stück vor ihnen schimmerte ein schwacher Lichtschein durch die Bäume. Gespannt beugte sie sich vor, damit sie besser sehen konnte. Sie gelangten auf eine sandige Lichtung, gerade einmal doppelt so breit und lang wie der Laster, und er stellte den Motor ab. Inmitten des gerodeten Stückchens Land lag eine mit den herrlichsten Stickereien verzierte Decke, umringt von flachen Tempelkerzen. Kein Windhauch ließ die Flammen erzittern. Am Kopfende des laubbedachten Hochzeitsbetts stand ein Tablett mit einer Flasche Champagner, echten Champagnerflöten und einem Teller
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