Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Hauch eines Beweises dafür, dass er überhaupt existierte.
Er wedelte sich mit dem Bananenblattfächer Luft zu. Was für ein elendes Dreckskaff. Sie wohnten direkt an der Hauptstraße und hatten noch nicht mal Strom. Wie konnte man nur so leben? Es war eine Zumutung, dass ein so außergewöhnlicher Mensch wie er sich mit solchen Leuten abgeben musste. Dabei war heute schon genug schiefgelaufen. Etwas Glück konnte er gut gebrauchen. Egal. Ein paar Stunden noch, dann würde er in die Flitterwochen aufbrechen. Vor Mitternacht würde er seinen Sex bekommen und wieder ein ganzer Mann sein. Bald war es so weit. Sehr bald sogar.
Die Sonne fiel grell durch die Windschutzscheibe. Der staubbedeckte Jeep fuhr auf die Lichtung, die das Ende des Pfades markierte. Den Waldrand säumte eine Reihe heruntergekommener Häuser. Das Ensemble gemahnte an ein Dorf, das schon bessere und glücklichere Tage gesehen hatte. An jedem Ende der Lichtung stand ein grob gezimmertes Fußballtor, doch Phosy wusste, dass dieses Stück Dschungel nicht gerodet worden war, um einen Bolzplatz für Kinder anzulegen.
»Mich würde interessieren, wie viele Hubschrauber hier zu Hochzeiten gelandet sind«, sagte Madame Daeng zu niemand Bestimmtem.
Phosy parkte auf der Mittellinie, und sie kletterten aus dem Jeep und lockerten ihre eingerosteten Gelenke. Aber ein verspannter Rücken war nicht das Einzige, was ihnen zu schaffen machte. Das erste Mal hatten sie die Anspannung verspürt, als ihnen der Tacho anzeigte, dass sie nur noch zwei Kilometer von ihrem Ziel entfernt waren. Sie alle wussten, worum es sich handelte. Irgendwo im menschlichen Körper gibt es eine Drüse, deren einziger Daseinszweck es ist, dem Pessimismus ein Ventil zu geben. Sie ist besonders aktiv, wenn man an der Schwelle der Gefahr steht, wenn man weiß, dass in unmittelbarer Umgebung ein irrer Mörder sein Unwesen treibt, der zu unvorstellbaren Gewalttaten imstande ist. Das leibhaftige Böse kann es mit den Schrecken, welche die Pessimismusdrüse absondert, nicht einmal annähernd aufnehmen.
Niemand schien es besonders eilig zu haben, die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen.
»Sieht sonst noch jemand nicht, was ich nicht sehe?«, fragte Daeng.
»Sie meinen den nicht vorhandenen Laster?«, entgegnete Phosy.
»Er ist uns nicht entgegengekommen«, überlegte Daeng. »Das heißt, falls es keinen anderen Weg ins Tal gibt, und auch den sehe ich nicht, muss der Laster schon vor über drei Stunden losgefahren sein.«
Phosy dachte nach. »Da wir ihm auf dem Weg hierher nicht begegnet sind, kann er an der Kreuzung in Nahoi eigentlich nur in Richtung Norden gefahren sein, fort von den Sammelstellen der Zensusbehörde.«
»Das verheißt nichts Gutes«, befand Daeng.
»Und wo stecken eigentlich die Bewohner dieses Nests?«
»Zwölf Uhr«, sagte Daeng und zeigte nach Norden. Der Polizist drehte sich um und erblickte ein zerlumptes Pärchen um die fünfzig, das langsam auf sie zukam. Angesichts der Geisterstadtatmosphäre hätte es ihn nicht gewundert, wenn sie die Verwalter einer verwunschenen historischen Stätte gewesen wären. Sie sahen jedenfalls genau so aus.
»Wohlsein«, sagte der Mann, obwohl er damit nicht gerade gesegnet schien. Sein Gesicht war mit Pockennarben übersät, und seine Haut schimmerte gelblich. Neben seiner spindeldürren Frau wirkte er allerdings wie ein Ausbund an Gesundheit.
»Wohlsein«, erwiderte Phosy und schüttelte dem Mann widerstrebend die Hand. »Wir wollten eigentlich zum Genossen Buaphan.«
»Der ist weggefahren«, sagte der Hausherr.
Phosy dachte »Mist«, sagte jedoch: »Wann?«
»Gegen Mittag. Er hat den Laster genommen. Und mich damit in eine ziemliche Bredouille gebracht. Den ganzen Nachmittag über sind freiwillige Zensushelfer aus den Hügeln heruntergekommen, um Fragebögen abzuliefern und sich ihren Lohn abzuholen. Ich wusste nicht, was ich ihnen sagen sollte.«
»Hat er so etwas schon mal gemacht?«, fragte Phosy.
»Er ist zwar ein paarmal mit dem Laster fort gewesen, war aber immer rechtzeitig zurück, um die Leute auszuzahlen.«
»Wo schläft er, wenn er hier ist?«
»Da oben«, sagte der Mann und zeigte auf eine einsame Hütte auf einem Hügel. »Wir haben ihm angeboten, bei uns im Haupthaus zu übernachten, aber er wollte lieber allein sein.«
»Wie viele Leute leben hier?«, fragte Daeng. Phosy machte sich nicht die Mühe, sie dafür zu rüffeln.
»Nur wir und unsere Kinder«, sagte der Mann. »Ein Haus. Im Krieg war hier
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