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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Wärter oder wegen dieses übel wetternden, seines Sündenbocks beraubten Rächers, war nicht auszumachen – sagte Abt Radulfus scharf: »Innerhalb meiner Klostermauern mag er gesucht werden, gewiß. Aber die Ordensregel untersagt mir, die Verfolgung in der Außenwelt fortzusetzen.«
    Graf Robert, an diesem letzten Morgen vor der Abreise ebenfalls Gast an des Abtes Tafel, war ruhig an seinem Platz sitzengeblieben und hatte bisher kein Wort geäußert, sondern lediglich seinen spöttischen Blick von einem Gesicht zum nächsten wandern lassen, wobei er auch Cadfael nicht ausließ, der mit ausdrucksloser Miene und Stimme seine Hiobsbotschaft verkündet hatte, Bruder Pförtner stand mannhaft neben ihm und hielt noch immer den Schlüssel in der Hand, welcher, so glaubte er selbst jedenfalls, während der Vesper von seinem Haken genommen und vor Ende der Andacht wieder daran gehängt worden sein mußte. Da solches Eingreifen in die Klosterregeln hier auf dem Areal der Abtei bislang unbekannt war, hatte er keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, zumal die Loge die meiste Zeit besetzt und das Schlüsselbrett im Blickfeld des Pförtners war. Der gute Mann verteidigte sich tapfer. Seine Rolle sei es, für die regelmäßige, wenn auch karge Verköstigung der Gefangenen, und die Aufgabe der Obrigkeit, für deren Einkerkerung und Verurteilung Sorge zu tragen.
    »Aber er steht immer noch unter Mordverdacht!« rief Herluin angriffslustig, eingedenk dessen, daß noch die weltliche Anklage für die Tat ausstand. »Er darf nicht einfach so entwischen. Des Königs Justiz hat die Pflicht, wenn die Kirche sie schon nicht hat, den Übeltäter zu fangen und zu verurteilen.«
    »Ihr irrt«, sagte Radulfus, bereits am Rande seiner Geduld.
    »Der Sheriff hat mir gestern schon versichert, er verfüge über ausreichende Beweise, daß Bruder Tutilo den jungen Aldhelm nicht getötet haben kann. Die weltliche Justiz hat die Anklage gegen ihn zurückgezogen. Nur die Kirche kann ihn anklagen, und die Kirche hat keine Amtsleute, die sie durchs Land schicken kann, um ihre schwarzen Schafe aufzuspüren.«
    Der Begriff ›schwarze Schafe‹ hatte Herluin das Blut ins Gesicht schießen lassen, so als hielte er sich persönlich dafür verantwortlich, daß er seine Untergebenen nicht besser unter Kontrolle hatte. Cadfael bezweifelte, daß eine solche Kritik beabsichtigt gewesen war. Radulfus würde eher sich selbst mangelnde Führung vorwerfen, als jemand anders diesen Vorwurf zu machen. Auch in Anbetracht der Dinge, wie sie im Augenblick lagen, hatte der Abt es nicht so gemeint. Herluin indes bezog es auf sich selbst, versuchte aber gleichzeitig, jedes Versagen, das seine Würde und Autorität antastete und drohte, ihn gedemütigt und trostbedürftig heimkehren zu lassen, aufs heftigste zu leugnen.
    »Es kann sein, Vater Abt«, sagte er in stocksteifer Haltung und glühend von finsterer Ahnung, »daß die Kirche sich in dieser Angelegenheit selbst wird revidieren müssen, denn wenn sie es unterläßt, gegen Übeltäter vorzugehen, wo immer sie zu finden sind, könnte ihre Autorität in Verruf kommen. Und gewiß ist jeglicher Kampf gegen das Böse, ob innerhalb oder außerhalb unseres Bereichs, so edel wie die Kreuzzüge ins Heilige Land. Es gereicht uns nicht zur Ehre, wenn wir ruhig zusehen, wie der Übeltäter davonkommt. Dieser Mann hat seine Bruderschaft verlassen und sein Gelübde aufgegeben. Er muß zurückgebracht werden und dafür Rechenschaft ablegen.«
    »Wenn Ihr ihn als eine so sündige Kreatur betrachtet«, entgegnete der Abt kalt, »solltet Ihr bedenken, was die Ordensregel über einen solchen Fall zu sagen hat, im achtundzwanzigsten Kapitel, wo geschrieben steht: »Jagt den gottlosen Mann aus eurer Mitte.«
    »Aber wir haben ihn nicht verjagt«, beharrte Herluin, noch immer glühend vor heiligem Zorn. »Er hat weder sein Urteil abgewartet noch Rede und Antwort gestanden für seine Missetaten, sondern sich zu unserem Verdruß heimlich des Nachts weggeschlichen.«
    »Und dennoch«, murmelte Cadfael – wie zu sich selbst, dabei aber deutlich zu vernehmen – und konnte der Versuchung, sich zu äußern, nicht widerstehen, »heißt es im selben Kapitel der Ordensregel: ›Wenn der treulose Bruder geht, laßt ihn gehen.‹ «
    Abt Radulfus warf ihm einen strengen, nicht alles billigenden Blick zu. Und in Robert Bossus Zügen blitzte das ihm eigene, alles entkräftende Lächeln auf, das aber schon verschwunden war, bevor das Ziel, auf

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