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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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ihm gehört und gesehen hatte, genauer gesagt, seit dem Abend, da er ihn in seinem Bett vorgefunden hatte, zitternd und krank, mit Magen- und Kopfschmerzen, die Cadfael mit seinen Pastillen und Säften zu lindern versucht hatte.
    Das flüchtige Geräusch einer Bewegung, und Bruder Jerome trat aus den hinteren Reihen der versammelten Bruderschaft und kam langsam, zögernd, ja fast widerstrebend aus seiner ungewohnten Zurückgezogenheit. Er ging mit schlurfenden Schritten, den Kopf gesenkt und die Arme vor dem Körper verschränkt, wie um sich gegen eine tödliche Kälte zu schützen.
    Seine Züge waren grau und verhärmt, seine Augen entzündet.
    Er sah krank und elend aus. Ich hätte mich weiter um seine Leiden kümmern sollen, dachte Cadfael, aber ich glaubte, gerade er würde schon dafür sorgen, daß er alle nötige Pflege erhält.
    Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als Prior Robert – bestürzt und verärgert über diese, wie ihm schien, widerwillige Annahme einer Pflicht, die ihm zur Ehre hätte gereichen sollen – Bruder Jerome mit gebieterischer Geste zum Altar winkte.
    »Kommt, wir warten.«
    Der Abt hatte die Blütenblätter und die Knospe behutsam entfernt und das Evangelium wieder zugeschlagen. Jetzt trat er zur Seite, um Jerome Platz zu machen.
    Jerome schleppte sich zum Fuß der Treppe und blieb dort stehen wie ein scheuendes Pferd, holte tief Luft, versuchte, die Stufen zu erklimmen, warf plötzlich die Hände hoch, verbarg sein Gesicht darin und sank mit einem erbärmlichen, erstickten Schrei auf die Knie, den Kopf tief über die steinerne Stufe gebeugt. Eine gebrochene Stimme stieß unter den gekrümmten Schultern ein Stammeln aus, das sich fast anhörte wie das nächtliche Heulen eines streunenden Hundes.
    »Ich wage es nicht… Ich wage es nicht… Die heilige Winifred würde mich totschlagen, wenn ich es wagte… Alles sinnlos, ich ergebe mich, ich bekenne meine schreckliche Schuld! Ich lief dem Dieb nach, lauerte ihm im Dunkeln auf, und, Gott erbarme sich meiner, ich tötete diesen unschuldigen Mann!«

10. Kapitel
    In dem entsetzten Schweigen, das auf dieses Geständnis folgte, erstarrte Prior Robert, die Hand noch erhoben, einen Augenblick lang gleichsam zu Stein, das Gesicht eine Maske völligen Unverständnisses. Daß eines seiner Schäfchen eine Todsünde begangen haben sollte, dazu eine von gewalttätiger Art, war erschreckend genug, daß dieser fügsame Sterbliche indes eigenmächtige Schritte irgendwelcher Art unternommen hatte, war für den Prior ein noch weit größerer Schock. Das gleiche galt für Bruder Cadfael, obwohl es für ihn gleichzeitig ein Schock der Erleuchtung war. Jerome, der nach verzweifeltem Erbrechen bleich und verquollen auf seinem Bett gelegen hatte, elend und still, war an Geist und Seele krank durch das, was er offenbar versehentlich getan hatte, und zum ersten Mal wirklich bedauernswert.
    Bruder Rhun, der junge und frische Benjamin der Herde, gehorchte seinem Naturell und kniete, ohne um Erlaubnis zu fragen, neben Jerome nieder, legte den Arm um dessen bebende Schultern und drückte den unglückseligen Sünder fest an sich, bevor er voller Vertrauen zum Abt hinaufblickte.
    »Vater, er ist krank, was immer er auch sonst sein mag.
    Gestattet mir zu bleiben.«
    »Tut, wie es Euch recht dünkt«, sagte Radulfus, der auf die beiden hinabblickte, sein Gesicht fast so bleich wie das des Priors, »wie auch ich es tun würde. Jerome«, sprach er mit äußerst fester Bestimmtheit. »Schaut auf, und seht mir in die Augen.«
    Es war jetzt zu spät, die Beichte der Öffentlichkeit noch vorzuenthalten, selbst wenn der Abt es gewünscht hätte, denn sie war vor allen Brüdern ausgesprochen worden, und als Mitglieder der Klostergemeinschaft hatten sie ein Recht darauf, an der Heilung all dessen teilzunehmen, was hier noch heilbar war. Sie standen stumm und aufmerksam da, traten aber nicht näher. Der Halbkreis war fast zu einem Kreis angewachsen.
    Jerome hatte zugehört und war durch die Stimme des Abtes ein wenig ruhiger geworden. Der befehlende Tonfall veranlaßte ihn, sich einen Ruck zu geben. Die erste und schwerste Last hatte er abgeladen. Als er den Kopf hob und versuchte, sich auf die Knie zu erheben, fühlte er Rhuns stützenden Arm. Ein verzerrtes Gesicht kam zum Vorschein, das allmählich menschliche Züge annahm. »Vater, ich gehorche«, sagte Jerome. »Ich will bekennen. Ich will büßen. Ich habe mich auf schreckliche Weise versündigt.«
    »Bekennen in der

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