Der Frühjahrsputz
hereinkam. Mit ihrer orange schimmernden Hochsteckfrisur sah sie aus wie eine kleine Fackel. Seitdem sie das Upper Cut vor sechs Jahren übernommen hatte, versuchte Lois, Darla gegenüber ihre Autorität durchzusetzen, aber Darla hatte Lois bereits im Kindergarten Klebstoff futtern sehen. Da war also nichts mehr zu machen.
»Machst du schon Feierabend?« fragte Lois schnippisch. »Es ist erst vier Uhr.«
»Heute ist Pizza-Tag«, erwiderte Darla. »Ich bin fertig.«
»Diese Ginny Spade hast du jedenfalls toll frisiert, das muss ich dir lassen.« Lois verschränkte die Arme so fest, dass sich ihr grauer Kittel straff über der knabenhaft kleinen Brust spannte. »So gut hat sie seit Jahren nicht ausgesehen.«
»Ja, vielleicht wird sie nun jemanden kennenlernen und über diesen untreuen Mistkerl Roy hinwegkommen«, erwiderte Darla und hätte sich im gleichen Moment am liebsten selbst dafür getreten, weil sie vergessen hatte, dass Lois erst vor einem Jahr einen untreuen Mistkerl namens Matthew verloren hatte.
»Matthew möchte zu mir zurückkommen«, sagte Lois, und Darla richtete sich ein wenig auf, um Lois zur Abwechslung einmal etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Da kam Quinn durch die Ladentür gerauscht, mit fliegendem kupferfarbenem Haar und einem Hund, den sie unter ihrem Matrosenmantel verborgen hatte.
»Ich weiß, ich bin spät«, stieß sie hervor. »Tut mir leid -«
Überrascht beäugte Darla den Hund und hielt abwehrend die Hand hoch. »Warte einen Moment.« Sie sah zu Lois. » Du willst mich auf den Arm nehmen. Er hat sie verlassen?«
»Wer hat wen verlassen?« Quinn kämpfte damit, aus den Ärmeln ihres Mantels zu schlüpfen. Darla fand, dass der Hund aussah wie eine Ratte. Allerdings war es für Quinn normal, unansehnliche Hunde aufzulesen, und daher der Hund nicht annähernd so interessant wie die Bombe, die Lois gerade hatte platzen lassen. Sie widmete ihre ganze Aufmerksamkeit Lois.
»Das ist ein Hund«, sagte Lois.
»Gut erkannt.« Quinn drapierte ihren Mantel über der Lehne eines Sessels aus Avocadoholz. »Keine Sorge, ich halte sie fest. Sie wird den Boden nicht berühren, versprochen. Wer hat wen verlassen?«
»Ha.« Lois‘ Lippen verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln, und sie triumphierte: »Barbara hat Matthew verlassen. Die Bankschlampe hat ihm gestern eiskalt den Laufpass gegeben.«
»Wow.« Den Hund sicher in den Armen, sank Quinn in ihren Sessel.
»Unglaublich.« Darla lehnte sich zurück und atmete hörbar aus, während sie die Ereignisse überdachte. »Ein ganzes Jahr lang hingen sie wie die Kletten zusammen. Was ist passiert?«
»Irgendwas auf dieser dämlichen Reise nach Florida, die sie unternommen haben.« Lois presste die Lippen noch fester zusammen. »Mich hat er nie auf eine dämliche Reise nach Florida mitgenommen.«
Im Geiste ging Darla die Möglichkeiten durch. »Ein anderer Mann?«
»Wenn ja, dann hat er ebenfalls den Abgang gemacht. Sie ist noch in der Stadt und lebt allein in ihrem kleinen Haus, und Matthew ist ins Anchor gezogen.« Lois nahm Darla gegenüber auf dem anderen durchgesessenen Sessel Platz. »Er will wieder bei mir einziehen.«
Darla zuckte die Achseln. »Das macht Sinn. Warum sollte ein Kerl in einem Motel wohnen wollen?«
»Wirst du ihn zurücknehmen?« wollte Quinn wissen.
Lois hob unschlüssig die Schultern. »Warum sollte ich? Das Haus und dieses Geschäft hier gehören mir. Wozu brauche ich ihn?«
Darla dachte an Max. »Freundschaft. Spaß. Sex. Erinnerungen. Damit du jemanden hast, der dich Neujahr küsst.«
»Er hat mich wegen einer Bankschlampe verlassen«, sagte Lois. »Wie steht es also deiner Meinung nach um unsere Freundschaft?«
Irgend etwas an der Art und Weise, wie sie das Wort Bankschlampe auf der Zunge zergehen ließ, verriet Darla, dass Lois nicht allein Matthew grollte. Vielleicht war diese Ehe noch zu retten. In dem Falle wäre es weitaus angenehmer, für Lois zu arbeiten. »Du hast ihn am Tag nach unserem Schulabschluss geheiratet. Sechzehn Jahre warst du mit ihm zusammen. Nur ein Jahr hat er mit Barbara Niedemeyer verbracht, und jetzt tut es ihm leid. Das ist doch schon etwas.« Wenigstens nahm Darla an, dass es ihm leid tat. Wenn er ernsthaft in Betracht zog, zu Lois zurückzukehren, obwohl er ihre Kratzbürstigkeit kannte, bevor er sie wegen einer jüngeren Frau verließ, musste es ihm nun tatsächlich leid tun. »Und außerdem verdient er gut.« Sie dachte an das letzte Mal, als Matthew bei ihnen zu Hause
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