Der Fruehling des Commissario Ricciardi
Leiter der Truppe sprechen. Doch der – vielleicht haben Sie das Stück gesehen, dann wissen Sie es schon – könnte mich nicht mehr hassen, als er es schon tut. Mir ist bewusst, dass ich mir nach Ablauf meines Vertrags eine neue Truppe suchen muss. Zum Glück allerdings sind gerade gute Zeiten fürs Theater und es gibt genug Arbeit. Ich werde schon etwas finden.«
»Und wie haben Sie auf Serras Drohungen reagiert?«
Romor lachte herzlich, aus voller Kehle.
»Genau so: Mit einem Lachen. Keine Chance, mich umzustimmen. Ich versichere Ihnen, dass Emma nicht ohne mich leben kann. Und noch etwas kann ich Ihnen verraten: Wir erwarten ein Kind. Und ein Kind, Commissario, ist etwas Wichtiges, Unwiderrufliches. Ein Kind bindet zwei Menschen für immer aneinander, und so wird es auch zwischen Emma und mir sein.«
»Wären Sie bereit, was Sie eben gesagt haben, vor den Serras zu wiederholen?«
Die Serras. Ein institutionalisiertes Paar, eine Familie. Ricciardi schätzte Maiones Art, Romor auf die Probe zu stellen; wenn er das Gefühl haben würde, ausgeschlossen zu sein, keine Möglichkeit zu haben, Emma zurückzugewinnen, würde er sich reserviert und besorgt zeigen. Stattdessen lächelte er aber und sah dem Kommissar weiter in die Augen, obwohl seine Antwort Maione galt.
»Da sprechen Sie etwas an, das ich ohnehin tun wollte: Ich kenne meine Emma, eine wunderbare und sehr empfindsame Frau. Ich bin sicher, dass ihre Zweifel, wenn sie mich sieht, verfliegen werden und sie sich für die Liebe entscheiden wird, anstatt an stumpfen gesellschaftlichen Konventionen festzuhalten, deren Gefangene sie im Moment noch ist. Ich bin sehr zuversichtlich, Ihnen das schon sehr bald beweisen zu können. Wir hatten beschlossen, nach der letzten Vorstellung, also morgen Abend, gemeinsam fortzugehen. Noch habe ich die Hoffnung nicht verloren, dass Emma unsere Verabredung, nachdem sie nachgedacht hat, einhält und mich hier im Theater abholen wird.«
Ricciardi bohrte seinen Blick in den des Schauspielers, der ihm standhielt.
»Beantworten Sie mir eine letzte Frage, Romor: Wer hat Ihrer Meinung nach Carmela Calise getötet?«
Der Mann setzte eine betrübte Miene auf.
»Wer kann das schon sagen, Commissario? Ich kannte die Frau nicht. Allerdings glaube ich, dass jemand, der davon lebt, andere Menschen zu täuschen und, wie ich gelesen habe, auch Geld zu verleihen, wohl damit rechnen muss, so zu enden. Ich erinnere mich, dass Emma sich in fast sklavischer Abhängigkeit von ihr befand, sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte, ohne dass die Alte mit ihren Sprichwörtern es ihr vorgab. Lassen Sie mich nur soviel dazu sagen: Als Emmas Mann kam, um mir zu drohen, wirkte er auf mich tatsächlich zu allem bereit. Wenn ich also einen Namen nennen müsste ...«
Auf dem Weg zurück ins Präsidium dachte Maione laut nach.
»Der Kerl scheint mir wirklich ein Trottel zu sein. Er mag die Frauen, weiß, dass er ihnen gefällt, und glaubt, dass das immer so bleiben wird. Wenn Sie mich fragen, hätte er das Geld des Professors lieber annehmen sollen, denn aus seiner Affäre mit Emma wird er kein Kapital mehr schlagen.«
Ricciardi war in seine eigenen Gedanken versunken.
»Du darfst das Kind nicht vergessen. Der Professor würde es sicher gerne anerkennen, vorausgesetzt, er weiß, dass es unterwegs ist. Aber sie? Sie schien mir sehr mitgenommen zu sein. Was soll’s, das alles geht uns nichts an. Mich interessiert vielmehr, wer ein Interesse daran hatte,die Calise umzubringen. Leider haben wir keine Zeit mehr. Mir ist da ganz plötzlich etwas eingefallen.«
»Was denn, Commissario?«
»Ich glaube, dass Signora Serra morgen Abend der Versuchung nicht widerstehen wird, ins Theater zu kommen, sich zum letzten Mal das Stück anzusehen, das sie so mag. Wie wär’s, wenn du am Nachmittag mal deinen Freund, den Pförtner, besuchen würdest, um zu hören, ob sie den Wagen oder den Chauffeur bestellt hat, um ins Theater zu fahren?«
Maione wirkte verblüfft.
»Die Serras? Aber müssen wir dann nicht zuvor Garzo Bescheid sagen?«
Ricciardi lächelte.
»Nein. Er sagte, es sei meine Ermittlung, und ich tue, was ich für richtig halte. Es ist ohnehin der letzte Tag. Wenn wir keine Ergebnisse liefern, wird der arme Iodice als Sündenbock herhalten müssen und das war’s. Schauen wir mal, ob wir den Professor aus der Reserve locken können.«
Attilio, der nun wieder allein war, lächelte dem Bild im Spiegel seiner Garderobe zu. Die Dinge liefen gut; er
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