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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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aus der Welt schaffen könnte. Sowohl Gaetanos als auch ihre Probleme.
    Jetzt sah sie, wie er durch die Menschenmenge ein wenig abgehetzt auf sie zukam. Eine schlaffe Mütze verdeckte sein dunkles Gesicht, an seinen Händen und der knielangen Hose haftete noch Kalk. Er war schon dreizehn, doch auch Gaetano Russo wirkte jünger, solange man ihm nicht in die Augen schaute.
    Stumm setzte er sich zu ihr, wie üblich grüßten sie einander nicht. Sie waren Kinder, doch ihre Augen erzählten von hundert Jahren. Rituccia sah zu Gaetano und schließlich redete er.
    »Es ist jetzt besser. Die beiden haben sich so verhalten, wie du gesagt hast, sowohl der Gangster als auch das Schwein, bei dem sie arbeitet.«
    Sie lächelte kurz. Sie hatte es gewusst. Die Männer waren alle gleich.
    Gaetanos Augen standen voller Tränen.
    »Sie war so schön. Und jetzt ... verflucht sollen sie sein.«
    Sie drückte seine Hand.
    »Und der Rest?«
    Er hob den Kopf und sah sie an. Seine schwarzen Augen, die vor Zorn und Tränen glänzten, funkelten im Dunkeln wie die eines Wolfes.
    »Genau wie wir gesagt haben. Bist du sicher? Morgen?«
    Sie nickte. Dabei blickte sie unbeirrt nach vorn. Mama, versteh’ mich bitte. Ich wünschte, du könntest mich hier auf der Kirchentreppe sitzen sehen und mich hören. Du weißt, was ich auf dem Herzen habe. Und was ich zu Hause durchmache, fast jede Nacht. Seit du nicht mehr bei uns bist. Ich muss es tun, Mama. Das verstehst du doch?
    Vom Meer her gab es einen Windstoß. Vielleicht war er schuld an der Träne, die ihr nun einsam die Wange herablief.

    Maione trocknete sich mit einem Taschentuch die Tränen.
    »Tut mir leid, Commissario, aber ich konnte nicht länger an mich halten. Dieser Kerl war vielleicht ein Knüller. Kinder will er! Er sechzig, sie zweiundsechzig und da will er Kinder! Seine Mutter ist garantiert putzmunter, die wirdHundert, sag’ ich Ihnen, plus zwei Jahre Trauerzeit. Und seine Verlobte erst, taufrisch ist die! Wenn Sie mich fragen, behalten wir diesen Passarelli lieber im Auge. Womöglich packt er der lieben Frau Mama urplötzlich ein Kissen aufs Gesicht und schafft sie sich vom Hals. Dann können sie den Bund fürs Leben schließen, die beiden Turteltäubchen!«
    Ricciardi schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln.
    »Die Leute sind schon komisch. Man sieht nie, wie jemand wirklich ist. Was soll’s ... wer kommt als Nächstes?«
    Maione steckte sein Taschentuch wieder ein und nahm die Terminliste zur Hand.
    »Zu dieser Person wissen wir nur wenig. Es handelt sich um ein gewisses Fräulein Colombo, jemand anders hatte sie begleitet, eine alte Kundin der Calise, die noch nicht mit der Petrone über den Fall gesprochen hatte. Ihre Begleiterin ging in Liebesangelegenheiten hin ... ihr Verlobter lebte weit weg ... dann hat sie anscheinend geheiratet. Die Petrone glaubt, dass es hier um etwas Ähnliches ging. Die Calise vertiefte ihr Wissen gewöhnlich in zwei oder drei Sitzungen, dann sagte sie der Pförtnerin, was sie herausgefunden hatte, und die begann, Nachforschungen anzustellen. Am Tag des Verbrechens befand die Sache sich noch in den Anfängen. Soll ich sie hereinbitten?«
    Ricciardi spürte ein merkwürdiges Unbehagen. Er blickte sich um, sein Büro sah aus wie immer. Dann legte er seine Hand auf die Augen; vielleicht hatte er Fieber.
    »Ja, sie soll reinkommen.«
    Die Person, die nun das Zimmer betrat, war Enrica.
    Als Ricciardi Monate zuvor am Gemüsewagenplötzlich vor der jungen Frau gestanden hatte, hatte er sie einen Augenblick lang betrachtet. Nur einen kurzen Augenblick lang, aber in Gedanken, in seiner Vorstellung und seinen Träumen hatte er diesen Moment unendlich viele Male neu durchlebt.
    Es war einer jener Momente, um die herum ganze Leben konstruiert werden. Zum ersten Mal Aug’ in Auge miteinander.
    Er dachte an die normalen Leute. Aber gleichzeitig wusste er, dass er keinen Anspruch darauf hatte, normal zu sein.
    So lange Zeit hatte er an jenen Moment gedacht – wie ein zu lebenslanger Haft Verurteilter oder ein Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel. Er hatte geglaubt, auf ein weiteres zufälliges Treffen vorbereitet zu sein. Doch er hätte sich nicht gründlicher täuschen können.
    Auch Enrica war wie versteinert. Die Vorladung ins Polizeipräsidium hatte sie neugierig gemacht, doch nicht erschreckt; es gab nichts, weswegen sie sich Sorgen machen müsste. Unterwegs hatte sie die letzten Tage in Gedanken an sich vorbeiziehen

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