Der Frühling kommt! Zwölf schwule Erotikgeschichten. (German Edition)
sommersprossig, lang und dürr wie eine Bohnenstange. Täglich arbeitete er mit mir zusammen in der großen orthopädischen Praxis, in der wir beide als Ärzte angestellt waren. Nicht mein Typ! Trotzdem hätte ich ihn gern einmal vernascht, einfach so, weil es Spaß macht, eine Hete zu knacken. Doch Ben ließ mich nicht ran. Er war seiner Freundin treu und hatte mit Kerlen nichts am Hut. Wenigstens hatte er aber nichts gegen Schwule, und deshalb feierten wir gelegentlich zusammen oder gingen irgendwohin, so wie diesmal.
Mein letzter Freund hatte mich die Woche davor so genervt, dass ich ihn aus meiner Wohnung geworfen hatte. Ich war also wieder mal solo. Nicht schlecht für neue One-Night-Stands, aber blöd, wenn einem nach Kuschelsex zumute ist. Ich bin einunddreißig, doch warum soll das Kuscheln nur den Jungen vorbehalten sein?
»Es geht weiter!«, sagte Ben neben mir.
Die dritte Runde begann. Hermann griff an. Er drängte Benz in die Defensive. Immer wieder schossen seine Fäuste vor, täuschten und schlugen dann in einem anderen Winkel zu, als Benz dachte. Nun war ich doch etwas fasziniert. Die beiden Kämpfer wippten auf den Fußspitzen hin und zurück. Sie umtänzelten einander und lauerten auf die große Chance.
»Thilo! Thilo!«, riefen die Zuschauer im Chor. Das schien den Titelverteidiger anzuspornen. Er duckte sich unter einem Schwinger von Nick hinweg und ging endlich zum Angriff über. Nick machte bei der Deckung einen Fehler und verlor an Boden. Er wich zurück. Das Publikum johlte. Nick versuchte, einen rechten Haken zu landen, doch Thilo wehrte ihn erstklassig ab.
Und plötzlich passierte es: Thilo täuschte mit einem rechten Schwinger, und als Nick auswich, lief er genau in den linken, kurzen Haken. Wie ein Stein krachte Nick zu Boden und lag bewegungslos. Der Ringrichter zählte ihn an. Er rührte sich nicht.
Atemlos sah ich zum Ring hin. Mein Favorit war gefallen! Der Ringrichter war bei zehn angelangt. Er riss Thilos Faust hoch: Benz hatte in der dritten Runde durch K.o. gegen Hermann gesiegt! Die Zuschauer grölten, pfiffen und brüllten, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.
Der Ringarzt stieg durch die Seile und kümmerte sich um Nick. Ich fieberte mit ihm. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf und ging zum Ring vor. Bens Einwände hörte ich kaum.
»Ich bin Arzt!«, sagte ich. »Braucht ihr meine Hilfe?«
Der Ringarzt blickte kurz hoch. Wahrscheinlich, weil ich groß und durchtrainiert wirke, sagte er: »Du kannst ihn mit hinaustragen. Wir werden ihn in die Klinik bringen müssen.«
Ich stieg durch die Seile und packte Nicks kräftigen Körper unter den Achseln an. Der Ringarzt trug ihn an den Beinen. Nick war schwer wie Blei, aber wir schafften es, ihn erst einmal bis zu seiner Garderobe zu schleppen. Dort legten wir ihn auf eine Liege und deckten ihn mit einer leichten Decke zu. Der Arzt schnürte ihm noch die rotbraunen Boxhandschuhe auf und zog sie ab.
Gerade, als der Ringarzt den Rettungsdienst anrufen wollte, wachte Nick auf.
»Was ist los?«, fragte er noch ein bisschen benommen und rieb sich das schmerzende Kinn. »Wo ist Hermann?«
»Er streicht gerade sein Preisgeld ein«, antwortete der Ringarzt ziemlich schonungslos.
Nick stöhnte. »Bin ich wirklich zu Boden gegangen, Frank?« Er befühlte seine nackte Brust.
»Ja, und ich hol jetzt die Ambulanz, die dich in die Klink bringt!« Frank nahm wieder sein Telefon.
»Untersteh dich!«, schnaufte Nick. »Ich bin total okay! Lass die Finger vom Handy!«
Frank steckte das Telefon wieder ein. »Besser wäre die Klinik. Aber wenn du nicht willst …« Er ging zur Liege und betastete Nicks starken Körper, das Genick und den Schädel. »Es scheint nichts Ernstes zu sein.«
Da sah Nick mich an. »Wer ist das?«
»Ich hab geholfen, dich rauszutragen«, sagte ich. »Mein Name ist Harry, Harry Klose.« Ich setzte mich neben die Liege auf einen Stuhl. »Ich bin Orthopäde. Wenn du dir mal die Schulter verrenkst …«
Nick grinste. »Nicht schlecht!« Er musterte mich genauer. Sein dunkler Blick glitt von meinem Gesicht über meine ganze Figur.
Ein seltsames Gefühl rieselte mir durch die Wirbelsäule. So von Nahem sah Nick noch viel besser aus. Auch wenn sein Kinn verletzt war – Frank hatte es inzwischen verpflastert –, so wirkte sein Gesicht immer noch gut aussehend und anziehend. Er hatte nicht den blöden Gesichtsausdruck vieler Profiboxer, sondern schaute munter und pfiffig in die Welt
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