Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Haustür auf, schalte das Licht an und genieße die Stille und den vertrauten Geruch meines Hauses. Ich sehe mich um. Das Sofa ist immer noch ein improvisiertes Bett, und auf dem Teppich sehe ich ein paar Strähnen von Clementines blonder Perücke. Aber alles ist unberührt. Nichts wurde angefasst.
»Marshall, ich weiß, dass du hier bist!«
Die Küchentür schwingt auf, und ich sehe meinen besten Freund aus Kindertagen.
»Woher wusstest du das?«, fragt Marshall mit seiner rauen Stimme, während er zu mir ins Wohnzimmer kommt. Er trägt immer noch seinen wollenen Kaban.
»Ich wusste es nicht. Aber ich kenne dich.«
Er will etwas sagen, entscheidet sich jedoch aus irgendeinem Grund dagegen. Als er näher kommt, ist seine Körperhaltung perfekt wie immer, aber er hält den Kopf leicht gesenkt und abgewendet. Er mag es nicht, wenn man ihn anstarrt.
»Kann ich dir etwas zu trinken holen oder …?«
»Das mit deinen Handgelenken tut mir leid.« Er deutet auf die roten Striemen von den Handschellen. Er übersieht kein Detail, ganz der einsame Wolf.
»Warum bist du hergekommen, Marshall?«
»Du hast mich in der letzten halben Stunde dreimal angerufen.«
»Du hättest einfach zurückrufen können. Warum bist du wirklich hierhergekommen?«
Er holt tief Luft durch seine zerstörte Nase. Ich weiß nicht, ob er verärgert oder nur aufgeregt ist. »Ich wollte wissen, ob sie dich umgebracht haben.«
»Wie bitte?«
Er tut so, als starrte er auf die drei gerahmten Schwarz-Weiß-Fotos, die über meinem Sofa hängen. Er presst die Lippen zusammen, und seine Gesichtshaut bewegt sich wie ein einziges zusammenhängendes Stück. »Sie werden dich umbringen, Beecher. Ich habe einen Freund beim Secret Service angerufen, der oben in Camp David stationiert ist. Sie wissen, wer du bist. Das bedeutet, es ist nur noch eine Frage der Zeit.« Er wartet, damit seine Worte ihre Wirkung entfalten können. »Also, Beecher, sag mir, warum du mich innerhalb der letzten halben Stunde dreimal angerufen hast.«
»Weil wir deine Hilfe brauchen.«
» Wir? «
»Die Gruppe, für die ich arbeite.«
»Der Culperring?«
Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Natürlich kennt er den Namen.
»Das sind die, die dir den Sender gegeben haben, den du in meinen Wagen gelegt hast«, folgert er.
»Es sind gute Leute, Marshall. Und sie sind klug. Ich dachte, mit deinen Fähigkeiten und ihren Möglichkeiten …«
»Verlange nicht von mir, in deine Gruppe einzutreten, Beecher.«
»Aber wenn wir …«
»Es gibt kein wir. Ich bin nicht käuflich. Und ich bin auch keine billige Granate, die du deinen Feinden an den Kopf werfen kannst.«
Ich stehe da und erwarte, dass er geht, aber er bleibt, wo er ist, und starrt immer noch auf die Fotos.
»Das ist Sagamore, stimmt’s?«
»Die Aufnahme ist aus den Zwanzigerjahren«, erkläre ich, als er einen Schritt näher an die drei Fotokarten herantritt. Darauf winken Männer, Frauen und Kinder mit amerikanischen Fahnen, während sie über die Straße vor dem Cannell Park marschieren. »Die Aufnahmen stammen von einer alten Feuerwehrparade, wie sie früher einmal in der Stadt abgehalten wurden.«
»Sie sind hübsch«, sagt er.
»Ja. Als ich sie aufgehängt habe, habe ich mir gesagt, dass sie mich täglich daran erinnern sollen, wohin ich zurückkehren müsste, wenn ich das hier vermassele. Aber ich glaube, es wird eine Zeit geben, wo ich sie einfach nur mag, weil sie mich an zu Hause erinnern.«
Marshall blickt mich an. »Zu Hause ist für manche Menschen eine Schreckensvorstellung.«
»Es kann auch eine Erinnerung daran sein, wo man herkommt. Und wie weit man gereist ist.«
Er dreht sich wieder zu den Fotos herum. »Du bist immer noch ein Scherzkeks, Beecher, was?«
Ich lache über diese Bemerkung, während ich meinen alten Freund betrachte. Ich versuche, mir die alte, pummelige, bebrillte Version von ihm vorzustellen. Totte meint, das wäre mein Problem. Ich kann nicht aufhören, mich zu erinnern. Vielleicht hat er recht. Aber manche Dinge sind es wert, dass man an ihnen festhält.
»Marsh, es tut mir leid, dass ich gedacht habe, du hättest diese Pastoren ermordet.«
Er betrachtet immer noch die Fotos und zeigt keine Reaktion.
»Aber als ich sah, dass du diese Lincoln-Maske hattest und die alten Spielkarten und dann deine Geschichte mit Pastor Riis …«
»Du hast nur in dem Fall ermittelt, Beecher. Du hast das gemacht, was du machen musstest.«
»Das ist nicht ganz korrekt. Nico hat mich zum
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