Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Lincoln Memorial, um Wallace zu beschützen, noch um einen Haufen Kinder zu retten. Du hast es eben selbst gesagt. Du warst hinter dem Ritter her, weil er Pastor Riis ermordet hat.«
»Worauf willst du hinaus, Beecher?«
»Ich will nur …« Ich überlege, ob ich auf das Thema zu sprechen kommen soll, das wir beide schon so lange vermieden haben. »Es läuft immer auf diese Nacht hinaus, nicht wahr? Mit Paglinni und dem Keller, als wir … als ich …« Meine Stimme bricht. Ich hole tief Luft und habe immer noch Angst, dass die Worte, die ich schon seit so langer Zeit sagen will, diesen Schmerz nicht heilen können. »Marsh, es tut mir leid, dass ich dich da hineingeschickt habe. Ich war in dieser Nacht ein Feigling. Ich hätte dich nicht alleine dort hingehen lassen dürfen.«
»Beecher …«
»Nein. Ich muss das sagen, und du musst es dir anhören. Es tut mir leid, dass ich dir so viel Schmerz bereitet habe. Und es tut mir leid, dass ich nicht stark genug war, das zu verhindern.«
»Beecher, es gibt nichts, was du hättest verhindern können.«
»Das stimmt nicht. Wenn du niemals dort hineingegangen wärst, wenn du nie deine Mutter mit Pastor Riis gesehen hättest …«
»Gib Pastor Riis nicht die Schuld. Er war es nicht.«
»Wie kannst du das sagen?«
»Es war nicht der Pastor.«
»Aber er ist derjenige, der …«
»Hörst du nicht zu, Beecher? Er war es nicht!«
Ich bemühe mich, zu verstehen, was Marshall sagt, und denke an die Nacht zurück. Ich sehe immer noch die gelbe Farbe von den Lichtern auf der Veranda. Ich sehe immer noch die Auffahrt. Und ich sehe immer noch, wie die Vordertür auffliegt, als Marshalls Mutter mit ihrem Büstenhalter in der Hand herausstürmt und Marshmallow nach draußen schiebt.
»Pastor Riis war nicht mal zu Hause«, erklärt Marshall.
Ich höre die Worte, aber ich verstehe sie nicht. Marshalls Mutter war halb ausgezogen. Sie war mit jemandem zusammen. Aber wenn Pastor Riis nicht da war …
»Oh.«
Die Lichter der Veranda verblassen, und ich starre in Marshalls goldbraune Augen, deren Blick sich in meinem Wohnzimmer in meine Augen bohrt.
»Mrs. Riis?«
Marshall rührt sich nicht, dann nickt er kaum merklich.
Während ich das Nicken erwidere, arbeitet mein Verstand auf Hochtouren. »Aber trotzdem, wenn wir … Wenn ich dich da nicht runtergeschickt hätte …«
»Beecher, weißt du, wie ich heute Abend in dein Haus gekommen bin? Ich habe deine drei Schlösser geknackt, ohne Probleme. Damals, am Ende meiner Ausbildung beim Militär, wo ich gelernt habe, wie so was funktioniert, hat uns der Leiter unserer Einheit ein letztes Schloss gegeben, das wir aufbrechen mussten. Es war die Abschlussprüfung. Man sperrte uns nacheinander in der Ecke des Raumes in einen dieser Haifischschutzkäfige ein. Dann drückte er uns jeweils ein gebogenes Stück Metall in die Hand und zeigte auf das rostige alte Schloss. Er befahl uns, es innerhalb von höchstens drei Minuten zu knacken. ›Los‹, sagte er, versperrte die Käfigtür und drückte auf die Stoppuhr. Das Schloss rührte sich in den ersten zwei Minuten überhaupt nicht, und ich wusste, dass ich ein Problem hatte. Nach zehn Minuten fing ich an zu schwitzen. Nach einer halben Stunde bin ich ausgeflippt und konnte trotzdem die Tür nicht öffnen. Nachdem ich über eine Stunde versucht hatte, das Schloss aufzubrechen, habe ich mich total frustriert gegen die Tür gelehnt, die einfach aufschwang. Der Ausbildungsleiter hat mich nur angegrinst.«
»Die Tür war die ganze Zeit unverschlossen«, erkläre ich.
»Allerdings. Aber sie war in meinem Kopf verschlossen, und das hat genügt, um zu verhindern, dass ich die Tür einfach aufmache und rausgehe.«
»Was willst du damit sagen?«
»Du hast diese Pistole meiner Mutter nicht in den Mund geschoben, Beecher. Und du hast auch nicht abgedrückt. Es wird Zeit, dass du deinen Käfig verlässt.«
Ich starre meinen alten Freund an und versuche zu schlucken, aber in meiner Kehle sitzt ein Kloß von der Größe einer Grapefruit. Ich hatte bis zu diesem Moment keine Ahnung, dass ich achtzehn Jahre lang darauf gewartet habe, diese Worte zu hören. »Marsh …«
»Bedanke dich nicht bei mir, Beecher. Und fang bloß nicht an zuheulen«, sagt er so ernst wie immer. »Wenn du flennst, ersteche ich dich.«
»Ja, nein, ich werde schon nicht weinen«, erwidere ich und muss mich zusammenreißen, um nicht zu lachen. »Aber weißt du, was komisch ist? Ich glaube, dass Pastor Riis während
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